Der Rahmen für Entwicklung

Von Ralf Leonhard · · 2007/10

Es gibt ein Recht auf Entwicklung. Aber welche rechtlichen Rahmenbedingungen ermöglichen Entwicklung?

Spätestens seit die Generalversammlung der Vereinten Nationen 1986 eine einschlägige Erklärung verabschiedete, gibt es ein allgemein anerkanntes Recht auf Entwicklung, das auf der Wiener UN-Menschenrechtskonferenz 1993 mit dem Prinzip der Nachhaltigkeit verknüpft wurde: „Das Recht auf Entwicklung sollte so verwirklicht werden, dass den Bedürfnissen gegenwärtiger und künftiger Generationen in den Bereichen Entwicklung und Umwelt gleichermaßen Rechnung getragen wird.“
Während das österreichische Entwicklungszusammenarbeitsgesetz nur in allgemeiner Form „die Sicherung des Friedens und der menschlichen Sicherheit, insbesondere durch die Förderung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten und guter Regierungsführung“ als eines von mehreren Zielen aufzählt, finden sich in den Leitlinien der Österreichischen Entwicklungs- und Ostzusammenarbeit Hinweise auf die Grundkomponenten von „Good Governance“. Effektive Institutionen und Prozesse, Schutz der Menschenrechte und Demokratisierung, Konfliktprävention, Beteiligung der Zivilgesellschaft, Korruptionsbekämpfung und die Erreichung von ausgewogenen wirtschaftlichen und sozialen Resultaten seien die wesentlichen Komponenten eines internationalen Konsenses. Dabei seien Transparenz, Partizipation und Rechenschaftspflicht Kernelemente von Good Governance.

In den Grundsatzpapieren des deutschen Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) heißt es dezidiert: Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit seien notwendige Rahmenbedingungen für nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung. Die deutsche Entwicklungspolitik versteht sich als Beitrag zur globalen Zukunftssicherung. War „Good Governance“ früher eher eine Bedingung für die Auszahlung von Kooperationsleistungen, so ist die gute Regierungsführung zunehmend zum Gegenstand der wirtschaftlichen Zusammenarbeit geworden. Die Förderung von Rechtsstaatlichkeit nimmt heute eine zentrale Rolle des Auslandsengagements ein. Deswegen begegnet man den deutschen „EntwicklungshelferInnen“ kaum mehr in Basisprojekten auf dem Lande. Die ExpertInnen der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) sitzen heute diskret in unmittelbarer Nähe der Ministerbüros der Empfängerländer. Eine Entwicklung, die durchaus auch kritisch gesehen wird.
Rechtsstaatlichkeit umfasst die Achtung der Menschenrechte ebenso wie die Einhaltung eines staatlichen Gewaltmonopols, Gewaltenteilung und unabhängige Justiz sowie die Gleichheit aller Bürgerinnen und Bürger vor dem Gesetz. Wo Willkür herrscht, kann sich weder die Gesellschaft, noch die Wirtschaft entwickeln. Wo BeamtInnen Geschenke erwarten, damit sie ihre Pflicht tun, und hohe FunktionärInnen öffentliche Gelder in die eigenen Taschen leiten, wo sprunghafte Staatsführer zur Enteignung schreiten, wenn sie ein Popularitätstief überwinden wollen, bleiben Investitionen ein Hasardspiel, auf das man sich nur einlässt, wenn überdurchschnittliche Profite winken. Reiche zahlen keine Steuern, wenn sie die Funktionen des Staates besser durch direkte Zuwendungen in ihren Dienst stellen können oder ihr Eigentum lieber durch private Sicherheitskörper als durch die Polizei schützen lassen. Konsequente Steuereintreibung ist also nur dann zu rechtfertigen, wenn der Staatsapparat effizient funktioniert. Deswegen setzen nicht nur deutsche Entwicklungsorganisationen immer mehr auf Stärkung der Institutionen und „Good Governance“, also rechtmäßiges Funktionieren des Staatsapparats und Rechtsstaatlichkeit.

Wichtig für die entwicklungspolitische Zielsetzung ist nicht, welches Recht gilt. Sowohl das kontinental-europäische Rechtssystem, das auf kodifizierten Gesetzen beruht, als auch das anglo-amerikanische Recht, das in erster Linie die Richtersprüche als Rechtsquelle betrachtet, sind von jungen Nationen nach der Unabhängigkeit kopiert worden. Traditionelle Rechte wurden teilweise beibehalten oder – im Falle der indigenen Rechte in Lateinamerika – erst in jüngster Zeit wieder aufgewertet. In Uganda wurde von Seiten europäischer Kooperationsstaaten im Zuge einer umfassenden Justizreform versucht, die auf Konsens orientierten Mechanismen und Versöhnungselemente des traditionellen Rechts in die staatliche Ordnung zu integrieren. Durchaus mit Erfolg. Sozialarbeit statt Gefängnisstrafe hat sich in Pilotregionen bewährt. Familien wurden nicht zerstört, die Rückfallquote sank deutlich.
Das Wichtigste ist wohl, dass die Gesellschaft und die zivilgesellschaftlichen AkteurInnen die Rechtsstaatlichkeit einfordern. Keine Reform kann Bestand haben, wenn sie von der Bevölkerung abgelehnt oder gar nicht wahrgenommen wird. Deswegen kann die Institutionenreform von oben bestenfalls ein Aspekt einer an Nachhaltigkeit orientierten Entwicklungszusammenarbeit sein.

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