Die Tänzerin Ulduz Ahmadzadeh im Porträt

Von Milena Österreicher · · 2023/Mar-Apr
Ulduz Ahmadzadeh © Alexander Chitsazan / SWM

Ulduz Ahmadzadeh begann in einem Land zu tanzen, in dem das verboten ist. In Österreich ist es ihr Beruf und ihre Berufung, auch mit dem Ziel, persische Tänze als kulturelles Erbe zu bewahren.

Als Ulduz Ahmadzadeh über das Tanzen zu sprechen kommt, strahlt sie und sagt: „Es ist eins der schönsten Dinge, die man im Leben machen kann.“

Tanz begleitet die 1981 in Teheran geborene Tochter einer Lehrerin und eines Ingenieurs seit ihrer Kindheit. Wenn nachmittags Besuch kam, wurde oft einfach gemeinsam losgetanzt. Als Jugendliche sah sie auf einer Feier eine Frau persische Volkstänze tanzen. „Das waren ganz eigene Bewegungen, sie trug goldene Schuhe. Ich war total fasziniert“, erzählt Ahmadzadeh. Bald nahm sie Stunden in persischem Volkstanz und Ballett.

Tanzen im Untergrund. Zwischen 1999 und 2004 trat sie mit der Kompanie „Harekat“ auf. „Underground natürlich, in Privaträumen“, wie sie sagt. Denn: Tanzen in der Öffentlichkeit ist im Iran seit der Islamischen Revolution 1979 verboten. Einmal aber wurde ausnahmsweise eine Aufführung genehmigt. Die Gruppe durfte in einer großen Konzerthalle in Teheran auftreten. Doch nach dem Stück wartete backstage die Festnahme. „Es war den Beamten egal, dass wir eine offizielle Erlaubnis hatten, es gab damals schon Institutionen innerhalb des Regimes, die gegeneinander arbeiteten“, erzählt Ahmadzadeh.

Erst nach ein paar Tagen wurden sie wieder freigelassen. Zuvor musste sie ein Dokument unterschreiben, in dem sie versicherte, nicht mehr zu tanzen. „Selbst übers Tanzen zu sprechen, wurde mir untersagt“, berichtet sie. Ob sie Angst hatte? „Nein, im Gegenteil: Ich versprach mir, damit weiterzumachen“, erzählt sie.

Streben nach Unabhängigkeit. Ahmadzadeh gründete ihre eigene Kompanie und begann sich für zeitgenössischen Tanz zu interessieren. Eine Ausbildung dazu war im Iran jedoch unmöglich. Sie lernte Deutsch und kam 2008 nach Wien, wo sie zeitgenössische Tanzpädagogik an der MUK Wien sowie Social Design studierte. Heute arbeitet die 42-Jährige, die seit vergangenem Jahr die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, als Tänzerin und Choreographin. Sie ist selbstständig. „Das ist manchmal hart“, sagt sie, „ich will aber nicht von Institutionen abhängig sein. Ich möchte mein Ding machen und mit der Kunst der Gesellschaft den Spiegel vorhalten.“

2012 gründete die Austro-Iranerin die Kompanie „Atash“ (dt. Sehnsucht, Verlangen). „Da steckt mein starker Wunsch darin, über politische Themen zu sprechen.“ Im Stück „Tarab“ wird Bewegungsmaterial des vorislamischen, nahöstlichen Kulturerbes gezeigt. Ahmadzadeh sieht es auch als ihre Aufgabe, sich mit diesen Tänzen zu beschäftigen, sie zu erforschen und ihnen einen Platz im modernen Tanzkanon zu verschaffen.

In Solidarität. Am Ende der „Tarab“-Premiere im Oktober 2022 im Tanzquartier Wien schnitt sie sich die Haare ab: Ein Zeichen der Solidarität mit der Protestbewegung im Iran, die durch den Tod der Kurdin Jina Mahsa Amini im September ausgelöst worden waren.

Ahmadzadehs Blick sucht die Ferne, wenn sie über die vielen Toten spricht, die das Regime auf dem Gewissen hat. Sie sagt: „Der Preis, den wir für die Freiheit zahlen, ist sehr hoch, ich erlebe seit Monaten ein Wechselbad der Gefühle – Wut, Schmerz, Trauer, Zuversicht, Hoffnung.“ Dann fügt sie hinzu: „Ich bin stolz auf diese progressive und feministische Bewegung, die für die Revolution kämpft.“

Bevor Ahmadzadeh wieder in ihren Wintermantel schlüpft, kommt sie nochmals auf den Tanz zurück: „Wir sollten alle tanzen. Tanzt, wo und wann immer es möglich ist!“

Milena Österreicher ist freie Journalistin und Übersetzerin für Portugiesisch und Spanisch.

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