Drache und Phönix

Von Yun Ding · · 2001/05

Bringen globale Medienunternehmen neben dem freien Markt auch die Pressefreiheit nach China? ťNew InternationalistŤ-Autor Yun Ding untersucht das Naheverhältnis des chinesischen Staats zum Murdoch-Fernsehsender ťPhoenix TVŤ.

“Kotau“ ist ein Ausdruck, der sich aus den Mandarin-Wörtern ”ko“ – (schlagen) – und ”tau“ (der Kopf) herleitet. Rupert Murdoch lernte den chinesischen Kotau, als er im Dezember 1998 von Staatspräsident Jiang Zemin zu einer Audienz empfangen wurde. Jiang gab seiner ”Wertschätzung der Bemühungen des Medienimperiums von Mr.Murdoch“ Ausdruck, ”China objektiv darzustellen und mit der chinesischen Presse zusammenzuarbeiten“. Murdoch seinerseits erklärte seine Bewunderung für ”die gewaltigen und umfassenden Errungenschaften Chinas in den vergangenen beiden Jahrzehnten“.

Murdochs Audienz bei Jiang erwies sich als der entscheidende Durchbruch bei seiner schwierigen Navigation auf den verschlungenen Pfaden Chinas. Im April 1999, als Zeichen für die hohe Gunst, die die Kommunistische Partei dem Medienmagnaten erwies, wurde die formelle Eröffnung des NewsCorp-Büros in Peking als eine der InlandsSpitzenmeldungen gebracht. Murdoch war es gelungen, seine News Corp als erstes ausländisches Medienunternehmen im strengstbehüteten Territorium der Welt zu positionieren: in Chinas Medienbranche.

Noch 1993 hatte er in Zhongnanhai, dem Hauptsitz der KP Chinas, Befürchtungen aufkommen lassen, als er prophezeite, Satellitenfernsehen wäre ”eine klare Bedrohung für jedes totalitäre Regime“. Rückblickend hatte er unterschätzt, wie wichtig es ist, ”Guanxi“, vertrauensvolle Beziehungen, mit Peking zu entwickeln. Was überrascht, denkt man an die cleveren Abmachungen Murdochs mit den britischen Konservativen und den Republikanern in den USA.

Als schlauer Fuchs brauchte er allerdings nicht lang, um seinen ”Foxtrott“ auf die Musik in Peking abzustimmen. Schließlich sei es eine Tatsache, wie Murdoch seither betont, ”dass autoritäre Regime funktionieren können“.

1994 strich er die ”BBC News“ aus dem Programm seines Senders ”Asia Star TV“, und das News-Corp-Verlagshaus HarperCollins druckte eine schwärmerische Biographie des damaligen chinesischen Führers, Deng Xiaoping, verfasst von dessen Tochter Mao Mao. 1998 verzichtete der Verlag auf ein eher kritisches Buch von Chris Patten, dem früheren Gouverneur Hongkongs, während Murdoch seine Bemühungen um die Gunst höherer Parteimitglieder intensivierte.

Sein britisches Blatt ”The Times“ betreute Shao Huaze, den 1989 im Rahmen der Säuberungen nach Tiananmen eingesetzten Herausgeber der ”People’s Daily“, bei einer Tour durch Großbritannien, organisiert aus Anlass eines Joint ventures zwischen dem Blatt, Chinas Äquivalent der ”Prawda“, und News Corp.

Der frühere Ostasien-Redakteur der ”Times“, Jonathan Mirsky, erklärte bei einem Treffen des Freedom Forum im Jänner 1998, dass die Zeitung ”einfach beschloss, wegen der Interessen Murdochs die seriöse Berichterstattung über China einzustellen“.

So auch Liu Changle, Ex-Offizier der chinesischen Armee und nun Chef von Rupert Murdochs ”Phoenix TV“ in China: ”Man muss einen Mittelweg zwischen der Freiheit der Presse und der des Markts Wnden.“

Und für Eric Kit-wai Ma von der Chinese University in Hongkong gibt es ”kein Anzeichen, dass sich der chinesische Staat aufgrund der ’befreienden Kräfte‘ des Markts friedlich zu einem liberalen Staatswesen entwickelt“. Die lokalen Medien schließen sich zusammen, um sich auf den WTO-Beitritt des Landes vorzubereiten. Für die chinesischen Medien geht es mehr um Liberalisierung als um Befreiung.

Murdoch war nicht der einzige, der in Jiang einen Spezi entdeckte. Als sich die Medienmagnaten der Welt im September 1999 beim ”Fortune Global Forum“ in Shanghai trafen, richtete Time Warner-Chef Gerald Levin eine schmeichlerische Grußadresse an seinen ”guten Freund“ Jiang Zemin: Er habe das ”Privileg genossen, [mit ihm] beträchtliche Zeit zu verbringen (…), was durch seine Aufrichtigkeit, Offenheit und seine tiefen Einsichten zu einem unvergesslichen Erlebnis wurde“. Viele der Magnaten reisten nach Peking weiter, um mit führenden Vertretern der KP ins Gespräch zu kommen, und wohnten einer Luftparade chinesischer Kampfflugzeuge und einer riesigen Vorführung der militärischen Hardware Festlandchinas bei, Bestandteil der Feierlichkeiten zur 50-jährigen kommunistischen Herrschaft.

Sumner Redstone von Viacom, Howard Stringer von Sony und Thomas Middelhoff von Bertelsmann verweigerten allesamt eine Antwort auf die Frage, ob sie es für richtig hielten, dass Präsident Jiang seine KritikerInnen hinter Gittern bringe. Schließlich ist die Verlockung des chinesischen Markts – mit 1,3 Milliarden potentiellen KundInnen ein Traum der Unterhaltungsbranche – einfach zu stark, um ihr zu widerstehen.

Bis vor kurzem hatte Murdochs panasiatischer Satellitensender ”Star TV“, der auch in China zu sehen ist, auf Nachrichtensendungen verzichtet, obwohl er einem der mächtigsten Nachrichtenmagnaten der Welt gehört. Mit der Einführung eines sorgfältig redigierten ”AsiaNews Update“ 1999 – fünf Minuten pro Tag – wurde diese Politik etwas gelockert. Aber diese schüchterne fünfminütige Show für ganz Asien ist einem Publikum, das nach Nachrichten und eingehenden Analysen hungert, völlig unangemessen.

Derzeit ist Rupert Murdochs ”Phoenix TV“ praktisch der einzige private Fernsehsender in China und wird von 45 Millionen Haushalten empfangen. Phoenix, bekannt als der ”Chinese channel“, beliefert das Festland mit einer Mischung aus seichter Unterhaltung – Game Shows, Musik, Fernsehund Kinofilmen.

Der Sender ist sehr beliebt, denn in puncto Lebendigkeit und Präsentation stellt er das chinesische Staatsfernsehen in den Schatten. Allerdings hält er sich so eng an die korrekte politische Linie, dass Regierungschef Zhu Rongji es für angebracht hielt, bei einer Pressekonferenz bekannt zu geben, wie oft er ”Phoenix TV“ sehe.

Am 1. Jänner 2001 startete ”Phoenix TV“ ein 24-stündiges Nachrichtenprogramm für Festlandchina. Der Ausdruck ”xinwen“, chinesisch für ”News“, wurde allerdings tunlichst vermieden, stattdessen ist von ”zixun“ oder ”Info-News“ die Rede. Yang Lan, ein früherer Moderator bei Phoenix, dazu: ”Das politische Risiko ist bei Nachrichten weit höher als bei jedem anderen Programm.“ Das Phoenix-Management betont die Wirtschaftsberichterstattung, was der Vermeidung heikler Themen dient, über die ein allgemeineres Nachrichtenprogramm normalerweise berichten würde, und JournalistInnen, RedakteurInnen und ProduzentInnen werden straffe Zügel angelegt.

Der Großteil der Beschäftigten von Phoenix besteht aus früheren MitarbeiterInnen von ”China Central Television“. Dem Anspruch, umfassende Nachrichten und Analysen aus einer alternativen Sicht auf China zu bringen, stehen allerdings die Verbindungen des Senders zu staatlichen Medien entgegen.

Die Show ”Good Morning China“ etwa bringt Leitartikel der wichtigen staatlichen Tageszeitungen. Phoenix-Manager winden sich, wenn man sie nach der Rolle ihrer Beziehungen bei der Einführung des Programms fragt – und dabei, es weiter senden zu können. Wu Xiaoyong, Leiter der Abteilung Geschäftsentwicklung bei Phoenix, ist der Sohn des früheren chinesischen Außenministers und Vizeregierungschefs Wu Xueqian. Das Erfolgsrezept besteht laut Wu darin, zu gewährleisten, dass die Programme die Weltsicht der chinesischen Führung nicht in Frage stellen. Ebenso Phoenix-Chef Liu Changle: ”Wir üben äußerste Vorsicht bei der Auswahl der Inhalte, die wir am Festland senden. Handelt es sich um ein sehr, sehr heikles Thema, dann kann es sein, dass wir nichts dazu sagen. Aber wenigstens werden wir nicht lügen.“

Beispielsweise hat Phoenix kaum über Falun Gong berichtet, die Meditationssekte, die in China verboten wurde, aber deren Mitglieder regelmäßig am Tiananmen-Platz demonstrieren. Bei Protestaktionen entlassener ArbeiterInnen in den chinesischen Sonderwirtschaftszonen hüllten sich die Medien in Schweigen. Liu Changle räumt ein: ”Das größte Problem wird darin bestehen, attraktiv für das allgemeine Publikum zu sein, ohne Regierungsstellen vor den Kopf zu stoßen.“

Was für Murdoch kein großes Problem ist. Er fasste sein simples Rezept bei der Konferenz ”Entertainment and Media in Asia“ in Los Angeles zusammen, wobei er diesmal darauf verzichtete, über das Wunder der globalen Kommunikation als Wegbereiterin beim Sturz autoritärer Regime zu spekulieren. Einem dicht gedrängten Publikum in seinen Fox Studios, dem Schauplatz der Konferenz, erklärte er: ”Falls sich eine Fernsehsendung in verbotenes Terrain vorwagt, wird uns nichts anderes übrig bleiben als sie aus unserem Programm zu streichen.“

”Wenn der Drache fliegt, tanzt der Phönix“, sagt man in China. Im gespenstischen Ballsaal der Medienglobalisierung sind diese beiden Fabelwesen wahrlich ein bezauberndes Paar.

Š New Internationalist

Yun Ding war früher Kulturredakteur des ”China Radio International“ (Peking). Er erhielt das Sing-Tao-Forschungsstipendium für Journalismus 1998/99 an der University of Toronto, Kanada. Derzeit arbeitet er als Forschungsassistent am China Times Centre for Media and Social Studies an der University of Minnesota-Twin Cities.

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