„Ein Fenster in die Geschichte“

Von Redaktion · · 2014/12

Zehn Jahre nach dem Oscar-nominierten Film „Darwin’s Nightmare“ läuft Hubert Saupers neue Doku in den Kinos. Warum er sich bei „We come as friends“ für den Südsudan als Drehort entschied und er nie als Aufdecker gesehen werden wollte, darüber sprach der Filmemacher mit Südwind-Redakteur Richard Solder.

Er kommt als Freund. Und mit einem selbst gebastelten Mini-Flugzeug: Hubert Sauper ist in „We come as friends“ mit einer fliegenden Nussschale unterwegs. Zur Landung setzt er im Sudan an, zu jener Zeit, als sich die Südprovinzen als Südsudan zu einem von Khartum unabhängigen Staat abspalten. 

Sauper dokumentiert das Werden eines neuen Staates in Afrika, die Hoffnungen der lokalen Bevölkerung, die Einflussnahme der USA, den Kampf um die Ressourcen. Die Dichte des Filmes und die teils schräg anmutende Inszenierung machen „We come as friends“ zu einer rasanten Fahrt durch Raum und auch durch Zeit. Die Phase der Kolonisierung ist vorbei? Mitnichten, zeigt Sauper.

Wer eine Dokumentation im herkömmlichen Stil mit linearem Verlauf, anschaulichen Erklärungen und einem objektiven Auftritt erwartet, ist bei „We come as friends“ falsch: „Film ist eine Kunstform und diese Kunstform versuche ich so weit auszureizen, wie ich kann“, sagt Hubert Sauper gegenüber dem Südwind-Magazin. Nachsatz: „Ich bin politisch motiviert.“

Als ZuseherIn wird man Zeuge, wie einem Stammesältesten klar wird, dass er dazu gebracht wurde, 600.000 Hektar Land an Investoren abzugeben. Man erlebt, wie ein südsudanesischer Minister den Text der Hymne seines neuen Staates nicht kennt. Chinesische Ölförderer kritisieren ehemalige Kolonialmächte – und wirken selbst wie Außerirdische von einem fernen Planeten.

Saupers Film lebt vor allem von den Begegnungen. Die Menschen, die er trifft, beäugen den Kapitän und sein eigenwilliges kleines Luftfahrzeug neugierig; immer wieder erntet er Schmunzeln und Lachen. Auch auf die eine Zuseherin oder den anderen Zuseher mag dieser Auftritt albern wirken. Doch er hat einen Sinn: „Als Dokumentarfilmer brauchst du Zugang zu Orten und zu Menschen“, erklärt Sauper. Helfen könne dabei, ungefährlich zu wirken. Als harmloser „Dodel“ sei er imstande, Mächtige für sich zu interessieren: „Wenn ich als komischer fliegender Clown für den Warlord überhaupt existiere, dann ist es dadurch viel leichter, mit ihm ins Gespräch zu kommen“, argumentiert er.

Dabei gehe es nicht um Tricks. „Das ist eine Lebensweise.“ Wer Dokus rund um Themen wie Korruption, Schmuggel und moderne Kolonisierung mache, müsse wissen, wie man aus heiklen Situationen wieder heil herauskomme. „Ohne abgeschossen zu werden“, formuliert es Sauper. Zu seinem Beruf gehöre es, schneller zu denken als das Gegenüber. Das klingt herausfordernd und auf Dauer anstrengend. Sauper: „Das ist es, aber auch sehr inspirierend.“

Aufdecker wollte er dabei nie sein: „Ich habe nichts aufgedeckt und mich interessiert das gar nicht.“ Die Information zu den Themen seiner Arbeiten sei immer schon davor da. Er stelle sich die Frage, was man mit der Kunstform Film damit machen kann. „Es ist in unserer Zeit wichtig, dass man Information intelligent aufbereitet.“ 

Wieso gerade Südsudan? Sauper: „Im Prinzip hätte ich den Film fast überall machen können, es geht um Mechanismen, die weltweit – und zu verschiedenen Zeiten – gültig sind.“ Die Entwicklungen des Südsudan sind für ihn allerdings „ein Fenster in die Geschichte“: „Der Ostkongo und der Südsudan sind Gebiete, die aktuell kolonisiert werden.“ Die ganze Region werde „massiv militarisiert, strukturell zerrüttet – und ausgebeutet“.

Sauper ist gebürtiger Österreicher, verbrachte aber viel Zeit in Großbritannien und den USA, zudem lebt er in Frankreich. Den Einfluss, den die drei Staaten auf einstige Kolonialgebiete hatten und noch immer haben, beeinflusste seine Wahrnehmung.

Seit seinem Film „Kisangani diary“ (1998) ist er mit Zentralafrika verbunden. Damals wollte Sauper einen Film über Flüchtlinge machen, die aus der Demokratischen Republik Kongo nach Ruanda zurückkehren. Die Ereignisse des so genannten Ersten Kongokrieges, durch den 1997 Laurent-Désiré Kabila die Macht von Langzeitdiktator Mobutu Sese Seko übernahm, kamen dazwischen. Sauper war eine Zeit lang in der Stadt Kisangani eingeschlossen und wurde Zeuge von brutalen Massakern. Auch die ersten Kontakte für „Darwin’s Nightmare“, das im benachbarten Tansania spielt, ergaben sich damals. Die Region lässt ihn seit damals nicht mehr los.

Wird er wieder dort arbeiten? Das will Sauper derzeit noch offen lassen: „Für ‚We come as friends’ bin ich an die Grenzen meiner Kapazitäten gegangen. Jetzt brauche ich eine Pause.“

„We come as friends“, bei der Viennale mit dem Wiener Filmpreis ausgezeichnet, läuft seit Ende November in österreichischen Kinos.

www.wecomeasfriends.com

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