Eine zweite Grüne Revolution?

Von Robert Poth · · 2000/04

Ob Biotechnologie und Gentechnik die Ernährung der Weltbevölkerung sicherstellen können oder sollen, ist umstritten. Das Know-how hat jedenfalls der Norden.

Die gute Nachricht: Derzeit gibt es weltweit ausreichend Nahrungsmittel. Die weitgehend von Regierungen bzw. Stiftungen finanzierte „Grüne Revolution“ hat seit den 50er- bzw. 60er-Jahren in den Entwicklungsländern mit Ausnahme von Afrika südlich der Sahara zu einer signifikanten Steigerung der Hektarerträge bei Getreiden geführt. Dass mehr als 800 Millionen Menschen mangel- oder unterernährt sind – acht Millionen davon in den reichen Ländern! – liegt nicht an mangelnder Produktion, sagt die Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO): Wer hungert, ist arm, gehört einer ausgegrenzten Minderheit an oder ist Opfer militärischer Konflikte.

Allerdings wird die Weltbevölkerung in den nächsten 20 Jahren zumindest um 1,5 Milliarden Menschen anwachsen. Das bedeutet, dass die Getreideproduktion um 40 Prozent und die Fleischproduktion um 100 Prozent steigen muss, schätzt das International Food Policy Research Institute – vor allem in Asien nimmt die Nachfrage nach „höherwertigen“ Nahrungsmitteln zu. Die Ressourcen sind allerdings begrenzt: Die Anbauflächen lassen sich nicht mehr ausweiten, und in vielen wichtigen Produktionsgebieten wie etwa in den USA geht die Bodenfruchtbarkeit aufgrund vergangener Intensivbewirtschaftung zurück. Trotzdem müssen die Erträge weiter gesteigert werden.

Kann die Bio- bzw. Gentechnologie die Lösung sein? Ungeachtet ihrer ökologischen Risiken jedenfalls nicht, so lange sie wie jetzt von kommerziellen Interessen dominiert ist. Nach Weltbankangaben verfügen Privatunternehmen der reichen Länder bereits über 80 Prozent aller einschlägigen Patente. Aus Rentabilitätsgründen konzentriert sich ihre Forschung auf Produkte der gemäßigten Klimazonen, auf Futterpflanzen wie Mais und Sojabohnen oder Exportprodukte wie Baumwolle. Wichtige Nahrungspflanzen armer Länder wie etwa Afrikas bieten kein Geschäftspotential. Und die Technologie ist teuer: Mit dem Argument der hohen Entwicklungskosten wird den Abnehmern die Verwendung selbstgezogenen Saatguts der patentierten Sorte verboten bzw. werden Verfahren entwickelt, um eine Wiederaussaat durch die Abtötung der Samen zu verhindern (etwa die in den USA patentierte „Terminator“-Technik).

Hohe Kosten scheinen ihre verbreitete Anwendung durch die arme Landbevölkerung im Süden auszuschließen. In Indien etwa sind 80 Prozent der landwirtschaftlichen Produktionseinheiten auf selbstgezogenes Saatgut angewiesen, schätzt der indische Agrarexperte M.S. Swaminathan. Auch bereitet die Perspektive, dass eine Hand voll Konzerne die globale Nahrungsmittelproduktion kontrollieren könnte, allgemeines Unbehagen.

Theoretisch könnte das Ernährungsproblem allein durch die Einschränkung der Fleischproduktion weitgehend reduziert werden, die bis zu zehnmal mehr Fläche benötigt als der Anbau von Getreide. Wichtige Organisationen wie die im Rahmen der Grünen Revolution 1971 gegründete CGIAR (Consultative Group on Agricultural Research), ein Netz von 16 unabhängigen Forschungsinstituten in Entwicklungsländern, sehen aber keinen Grund, auf das Potential der Biotechnologie zu verzichten. Sie sollte vielmehr Bestandteil eines umfassenden Ansatzes sein, meint Maurice Strong von der CGIAR: Armut, Hunger, Umweltzerstörung und die Erosion der biologischen Vielfalt müssen gemeinsam bekämpft werden. Das heißt unter anderem verantwortliche Nutzung der Biotechnologie, wissenschaftlich unterstütztes Management natürlicher Ressourcen und weltweite Nutzung traditionellen Wissens mit Hilfe der Informationstechnik.

Aber wer kann diese Forschung durchführen, und wer wird sie bezahlen? Das Forschungsbudget der CGIAR belief sich 1998 auf 340 Millionen US-Dollar, während allein der US-Konzern Monsanto im selben Jahr 1,26 Mrd. US-Dollar für F&E ausgab. Dieses Ungleichgewicht ist mit ein Grund, warum viele Entwicklungsländer ihr wissenschaftliches Personal zunehmend an den Norden verlieren. Zwar verfügt CGIAR über eine der größten ex-situ Pflanzenbanken der Welt (ex situ = nicht im Gebiet des natürlichen Vorkommens aufbewahrt), die grundsätzlich frei zugänglich sind und im allgemeinen nicht patentiert werden dürfen.

Aber beispielsweise befinden sich 86 Prozent der Sammlungen von Mikroorganismen nach Angaben von Rural Advancement Foundation International (RAFI) in den reichen Ländern und können ungeachtet ihres Ursprungs patentiert werden. Gerade die Mikroorganismen im Boden sind noch weitgehend unerforscht und könnten den Schlüssel liefern, um die anhaltende Bodenerosion zu stoppen: Weltweit geht fruchtbarer Boden 13 bis 80 mal rascher verloren als er sich nachbildet, heißt es in einer FAO-Auftragsstudie.

Die Patentierbarkeit von Mikroorganismen ist auch ein Hauptkritikpunkt vieler Entwicklungsländer am Abkommen zum Schutz handelsbezogener geistiger Eigentumsrechte (TRIPS). Die Weltbank spricht von einer „Schlüsselherausforderung“ der Politik: Wie kann die private Aneignung und Verwertung von Ressourcen mit den Interessen der Mehrheit der Menschen in Übereinstimmung gebracht werden? Die Frage ist noch unbeantwortet.

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