Forscher Wolfgang Richard Mukabana zu Medizin in Afrika

Von Wolfgang Richard Mukabana · · 2023/Nov-Dez

Warum Afrika eine eigene, lokale Pharmaindustrie braucht, erklärt der aus Kenia stammende Forscher Wolfgang Richard Mukabana im Online-Interview.

Sie haben sich intensiv mit lokal verfügbarer Medizin zur Behandlung von Malaria beschäftigt. Wie sehen Sie das Spannungsfeld zwischen Naturheilkunde und Pharmaprodukten auf dem afrikanischen Kontinent?

Es gibt eine breite Palette von traditioneller Medizin, die die Menschen auf dem afrikanischen Kontinent nutzen. Die mit höherer Bildung greifen eher zu etablierten – teureren – Pharmaprodukten, weil sie auf wissenschaftliche Erkenntnisse vertrauen.

In den Dörfern schwören die Menschen aber auf Heilpflanzen und andere naturmedizinische Produkte. Erstens ist deren Wirkung seit Generationen bekannt und, zweitens, können sich die Menschen am Land Medizin der Pharmaindustrie schlicht nicht leisten.

Und: Pharmakonzerne schicken Ethnobotanikerinnen, Pharmakologen oder Anthropologinnen u. a. nach Afrika, damit sie dort studieren, wie Naturmedizin zur Behandlung von Krankheiten eingesetzt wird. Die Forscher:innen dieser Unternehmen versuchen dann, die Wirkstoffe aus den Pflanzen, von denen man erkannt hat, dass sie eine Heilwirkung haben, zu isolieren und daraus ein neues Präparat zu machen. Das wird dann wiederum in afrikanische Länder exportiert. Coartem, ein vom Schweizer Pharmariesen Novartis vertriebenes Malariapräparat, basiert zum Beispiel auf Artemisinin, einem Wirkstoff, der aus der krautigen Pflanze Einjähriger Beifuß gewonnen wird.

© privat

Wolfgang Richard Mukabana ist Direktor der Platform for Dialogue and Action on Health Technologies in Africa. Er forscht zu biomedizinischen Themen (Entomologie, Parasitologie und Epidemiologie, v. a. zu Malaria) und hat unter anderem an der Universität Wageningen (Niederlande), der Universität von Nairobi und der Egerton University studiert.

Im viel diskutierten Film „Das Fieber“ der österreichischen Filmemacherin Katharina Weingartner aus 2019 – für den Sie auch interviewt wurden – wurde das dokumentiert. Gibt es Anzeichen, dass in Afrika eine pharmazeutische Industrie entsteht?

In Afrika ist da bisher noch nichts gelungen. Nur in Nigeria, Kenia und Südafrika gibt es Ansätze. Ich sehe aber, dass viele afrikanische Staaten begonnen haben, zu versuchen, ihre Probleme auf ihre eigene Weise zu lösen. Bis vor kurzem sind die Länder Afrikas strikt den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO gefolgt. Das ändert sich langsam.

Wie, zum Beispiel?

In Ghana wird derzeit eine Malaria-Impfung eingesetzt, die offenbar recht gut funktioniert. Der Impfstoff heißt R21/Matrix-M und er wurde in Ghana zugelassen, noch bevor es eine internationale Empfehlung gab.

Bei den großen Pharmakonzernen dauert es meistens zehn Jahre, manchmal zwei Jahrzehnte, bis neue Medikamente in Afrika auf den Markt kommen, weil die Unternehmen keine großen Gewinne auf dem afrikanischen Markt erwarten.

Was könnte sich ändern?

Die Afrikanische Union denkt über die lokale Produktion von pharmazeutischen Produkten nach. Das große Vorbild ist Indien, wo Präparate, die noch vor ein paar Jahren 10.000 US-Dollar und mehr gekostet haben, nun für ein paar hundert Dollar produziert werden können. Es ist doch absurd, wenn jemand in einem afrikanischen Land an einer Krankheit stirbt, die gut behandelbar ist, nur weil ein bestimmter Pharmakonzern kein Interesse hat, kranken Menschen eine Behandlung zu ermöglichen, weil die Profite nicht stimmen.

Wie haben sich die Dinge durch COVID-19 verändert?

Die Pandemie hat die Länder Afrikas hart getroffen. Die Menschen auf unserem Kontinent pflegen enge Familienbande, Händeschütteln und persönlicher Kontakt liegt unserem Naturell näher als Social Distancing. COVID-19 hat uns gezeigt, dass wir unsere Gesundheitsversorgung resilienter machen müssen.

Wir sollten schon heute über die nächste große Herausforderung für unsere Gesundheitssysteme nachdenken. Und wir wissen nicht, welcher Natur diese Bedrohung sein wird. Auch deswegen ist in Zukunft eine lokale Impfstoffproduktion von großer Bedeutung.

Interview: Thomas Seifert

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