Im Zelt des Widerstandes

Von Therese Jakoubek · · 2022/Jul-Aug
© Therese Jakoubek

Aufgeben ist für Bakina Mohamed Embarek keine Option. Über den schier aussichtslosen Kampf der saharauischen Bevölkerung für das Recht auf Selbstbestimmung.

Eines Tages wird es passieren. Eines Tages werden die Saharauis ihr Recht auf Selbstbestimmung und Freiheit zurückgewinnen. Davon ist Bakina Mohamed Embarek überzeugt. Vor 31 Jahren wurde sie in einem Lager für Geflüchtete in der algerischen Sahara geboren. Obwohl sich aktuell die politische Lage weiter verschlechtert, gibt sie ihren Kampf für die Rechte der saharauischen Bevölkerung nicht auf.

Seit über 40 Jahren lebt rund ein Drittel der Saharauis, ungefähr 210.000 Menschen, in den Lagern für Geflüchtete in Algerien, nahe der Stadt Tindouf. Und seit ebenso langer Zeit warten sie auf ein versprochenes, von den Vereinten Nationen gestütztes Referendum, in dem sie über ihre Zukunft und eine mögliche Rückkehr in ihre Heimat, die Westsahara, entscheiden wollen.

Denn 1976 wurde der Landstrich um Afrikas Westküste nach dem Abzug der spanischen Kolonialherren von Marokko völkerrechtswidrig annektiert.

Wo ihr wahres Zuhause liegt, erfuhr Embarek erst als Teenagerin. Heute ist die Westsahara für sie und ihre Familie vor allem ein Sehnsuchtsort, den sie und ihre acht Schwestern nur aus Erzählungen kennen.

„Mit 14 Jahren habe ich zum ersten Mal verstanden, dass ich nicht in meinem Land lebe. Damals haben mir meine Eltern gesagt, dass wir bald zurückkehren werden“, erzählt sie. Doch aus der geplanten Fahrt nach Hause wurde nichts. Sie durften nicht in die besetzten Gebiete einreisen.

Provisorium auf Dauer. Embarek pendelt halbjährig zwischen den Lagern und Spanien: Da ihr Vater eine spanische Aufenthaltserlaubnis besitzt, kann auch sie in Spanien arbeiten und leben. Eigentlich ist sie gelernte Ingenieurin, in Spanien arbeitet sie als Zimmermädchen. Embarek unterstützt die saharauischen Befreiungskämpfer*innen der Frente Polisario, der von der UNO anerkannten Vertretung der Saharauis.

Ursprünglich waren die Flüchtlingslager nur als Übergangslösung gedacht. Doch über die Jahrzehnte hinweg haben sie sich zu gut ausgebauten Siedlungen mit eigenen Infrastrukturen, sozialen Einrichtungen, Schulen und medizinischer Versorgung entwickelt.

Dennoch betont Embarek den Übergangsstatus, den für sie die Lager haben. Die aus einer Mischung aus Lehm, Sand und Wasser gebauten Behausungen bezeichnet sie deshalb auch heute noch als „Zelt“. Das Zelt dient der saharauischen Bevölkerung vor allem in der besetzten Westsahara als Symbol des Widerstands.

Es ist eine Form der Auflehnung, weil sie an ihrer besetzten Heimat festhalten und solange im Lager bleiben, bis sie wieder selbstbestimmt leben können.

Spaniens Kehrtwende. Kürzlich hat sich die Lage der saharauischen Bevölkerung weiter zugespitzt. Am 14. März sprach sich Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez in einem Brief an den marokkanischen Monarchen Mohammed VI. für die Autonomie der besetzten Westsahara aus – unter marokkanischer Hoheit.

Dies stellt einen Kurswechsel dar, denn bisher hatte Spanien sich für eine Lösung des Konflikts unter Ägide der Vereinten Nationen ausgesprochen. Dadurch ergreift Spanien erstmals Partei, was auf heftigen Widerstand in der saharauischen und auch in der spanischen Bevölkerung stößt.

Auch Embarek ging Mitte März in Madrid gemeinsam mit ihrer Schwester und spanischen Freund*innen für die Rechte der Saharauis auf die Straße.

In Spanien wird sie häufig für eine Marokkanerin gehalten, erzählt sie. Eine Zuschreibung, die sie regelmäßig zum Anlass nimmt, über den Westsaharakonflikt aufzuklären. Im Gegensatz zu überall anderswo sei der Konflikt im Bewusstsein vieler Spanier*innen präsent, so Embarek, dennoch hätten nur wenige ein genaues Bild der politischen Situation.

Inzwischen ist sie wieder in das Lager zurückgekehrt, in dem ihre Familie lebt. Sie klagt über unerträgliche Hitze und fast tägliche Sandstürme, die den ohnehin harten Alltag zusätzlich erschweren.

Trotzdem: Ob hier im Lager oder auf den Straßen Spaniens – sie wird sich weiter für die Rechte der saharauischen Bevölkerung einsetzen.

Therese Jakoubek arbeitet als Fotografin und Filmemacherin in Wien und Hamburg. In ihrem Film „February 27th“ hat sie 2018 das Leben der Saharauis in den Flüchtlingslagern im Süden Algeriens porträtiert und dabei Bakina Mohamed Embarek kennengelernt.

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