Mit Hip-Hop gegen das Patriarchat

Von Marina Wetzlmaier · · 2020/Mar-Apr

Rebeca Lane aus Guatemala versteht ihre Musik als politisches Werkzeug. Sie rappt gegen Gewalt an Frauen und prangert die Gräuel des Bürgerkrieges an.

Von Marina Wetzlmaier

Als Rebeca Lane unter dem Namen Rebeca Eunice Vargas geboren wurde, war der Bürgerkrieg in Guatemala (1960 bis 1996) in vollem Gange. Ihre Tante war für die Guerilla in den Kampf gegangen und seit drei Jahren verschwunden. Von den Militärs entführt. Sie lernte ihre Tante nie persönlich kennen, doch trägt sie ihren Namen.

Der Bürgerkrieg dauerte 36 Jahre lang. In der jungen Frau regte sich das Bedürfnis, die Verbrechen der Militärregierung anzuprangern. Ihre Familiengeschichte, mit der sie nicht alleine war, verarbeitete sie in ihrem Lied „Desaparecidxs“, die Verschwundenen: „Sie sind nicht tot, sie leben in unseren Erinnerungen“, rappt sie auf Spanisch. „Dein Kampf war der Motor unserer Geschichte.“

Lane ehrt in ihrem Lied auch die zahlreichen anderen Opfer der Militärregierung: Bäuerinnen und Bauern, KünstlerInnen, AktivistInnen, GewerkschafterInnen und viele mehr, die sich nicht der Diktatur beugen wollten.

Der Großteil der Opfer stammte aus der indigenen Bevölkerung. An den systematischen Massenmord erinnert die heute 35-Jährige in ihrem Track „La Cumbia de la Memoria“.

Durch die Auseinandersetzung mit Geschichte wurde Lane früh politisiert. Doch Musik, und da vor allem Hip-Hop, ist nicht ihr einziges und erstes politisches Ausdrucksmittel. Bevor sie zum Rap kam, schrieb sie Gedichte, bloggte, spielte Theater und veröffentlichte wissenschaftliche Texte, denn Rebeca ist studierte Soziologin. Sie erforschte die urbanen Jugendkulturen, Identitäten, Straßenkunst und Hip-Hop. Bis sie selbst zu rappen begann.

Die Beschäftigung mit dem Bürgerkrieg lenkte ihre Aufmerksamkeit auf grundlegende Probleme in der Gesellschaft. Etwa die Benachteiligung der indigenen Bevölkerung, aber vor allem die Unterdrückung der Frauen.

Feministischer Widerstand. „Ich schreibe über das, was ich fühle. Weniger über das, was ich denke“, sagte Lane einst in einem Interview mit der britischen BBC. Gefühle, die sie ihren ZuhörerInnen einmal melodisch-schön, berührend und dann wieder mit fordernder, wütender Stimme vermittelt.

Mit ihren Texten über Gewalt an Frauen will sie aufrütteln und zu Solidarität aufrufen. In einer Gesellschaft wie jener in Guatemala mit einer so hohen Rate an Frauenmorden und Gewalt müssten Frauen mehr miteinander reden, fordert Lane: „Die meisten von uns leiden im Stillen“, sagt sie im selben Interview. „Wir schließen die Augen, wenn man uns schlägt und anschreit. Wir lassen es geschehen.“

Mit ihren Liedern will sie Frauen ermutigen, aufzustehen, „Stopp!“ zu sagen. Selbst wenn die Täter ihnen nahe stehen, ihre Partner sind, Väter oder Brüder.

Der Widerstand gegen das Patriarchat begleitete Lane auf allen Schritten ihrer Karriere: im Theater, in der Schule, auf der Universität und schließlich im Hip-Hop. Feminismus ist damit für sie mehr als nur eine Theorie oder Wissenschaft, sondern ihr Leben und ein echtes Streben nach einer Gesellschaft ohne Machismo. „Wer sagte, es sei einfach eine Frau zu sein?“, fragt sich die Musikerin in ihrem Lied „Siempre Viva“, auf Deutsch: „Immer am Leben“.

Sie beschreibt die sexistischen Normen, die ihr von Kind an gepredigt wurden: auf ihre Jungfräulichkeit zu achten, zu lernen, das Haus zu putzen und zu kochen. Keine Tätowierungen oder Piercings. „Ich mache, was ich will, weil ich kann und weil ich so bin“, lautet Lanes Antwort.

Vorbild. In Rap-Workshops möchte sie junge Frauen bestärken, es ihr gleich zu tun, vor allem jene, die in den ärmeren Vierteln von Guatemala City aufwachsen. Auch arbeitet sie mit anderen Künstlerinnen der Hip-Hop-Szene zusammen und gründete mit Kolleginnen aus Mexiko und Costa Rica die Gruppe „Somos Guerreras“ („Wir sind Kriegerinnen“).

Mittlerweile hat Lane vier Alben veröffentlicht, mit denen sie nicht nur in Mittel- und Südamerika bekannt ist. Sie tourte bereits durch Europa und trat auch in Österreich auf. In europäischen Medien wurden sie und ihre Kolleginnen als lateinamerikanische Frauen beschrieben, die Hip-Hop veränderten, die durch Rap „Mauern einreißen“, als „Kriegerinnen für Gerechtigkeit“. So führt Lane das kämpferische Erbe ihrer Tante weiter.

Marina Wetzlmaier ist freie Journalistin und lebt in Wels/Oberösterreich.

Tipp: Auf ihrer Website bietet Rebeca Lane neben Infos zu ihren Alben auch Videos, Lyrics und Poesie sowie akademische Texte aus ihrer Feder: www.rebecalane.com

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