Nicht nur die Tafel im Blick

Von Brigitte Pilz · · 2021/Jul-Aug
Illustration: Thomas Kussin

Was kann Schule – und was kann sie nicht? Was hat in Zeiten von Distance-Learning gefehlt?
Und was wurde gewonnen? Gedanken nach einem „Corona-Schuljahr“.

Die meisten von uns haben im vergangenen Jahr eigene Erfahrungen mit Schule in Zeiten von Corona gemacht – je nachdem, wo wir in unserem Leben stehen mit Kindern in der Schule, Enkeln an der Uni, entfernten Familien in Übersee. Eine Blitzumfrage in der Südwind-Redaktion zeigt, dass Überlegungen dazu dementsprechend unterschiedlich sind.

Bevor man Wünsche an eine Schule (hoffentlich) ohne Corona-Belastung formuliert, lohnt ein Blick auf die Funktionen von Schule: Diese sind im vergangenen Jahr mitunter erst klarer hervorgetreten, weil sie gar nicht oder nur eingeschränkt umgesetzt werden konnten.

Schule ist mehr als ein Ort zur Anhäufung von Wissen: Sie bietet Gemeinschaft, Nähe zu Menschen außerhalb der Familie, Kommunikation und Austausch. Sie kann Kreativität fördern. Eine Erkenntnis kam für viele unerwartet: die Bedeutung von Schule für gemeinsames Lernen und von gemeinsamem Lernen für Bildung insgesamt.

Chancengleichheit. Vielleicht sollte man sich nicht zu lange bei Wissenslücken aufhalten und das Augenmerk nur auf den „Lernstoff“ richten, der nicht planmäßig durchgeackert werden konnte. Was haben die Kinder (meist) fern der Schule nicht alles weiterentwickeln können: selbstbestimmtes und -organisiertes Lernen, Zeitmanagement und (hoffentlich) Nachgehen schulferner Interessen, digitale Fähigkeiten.

Stichwort Digitalisierung: Soziale Ungleichheit ist allerdings im Distance-Learning noch klarer hervorgetreten. Wenn Eltern nicht unterstützend beistehen können, nicht den Lernstoff parat haben, wenn digitales Equipment fehlt, viele Familien nicht einmal telefonisch gut erreichbar sind, dann steigen die Hürden für Kinder enorm. Damit zeigt sich einmal mehr die Bedeutung von Schule für Chancengleichheit.

Im Globalen Süden erfüllt Schule weitere Funktionen. Kinder bekommen dort häufig eine warme Mahlzeit. Medizinische Versorgung und Prophylaxe wird wahrscheinlicher. Und nicht zu vergessen, Kinder werden zudem in die Schule geschickt, damit es der Familie später besser geht. Damit werden Kinder manchmal überfordert, es stärkt aber auch ihr Selbstwertgefühl.

Da sein. Schule hat also viele Funktionen. Schule ist wichtig. Doch ein wenig darf man relativieren: Es gibt ein Leben neben der Schule. Damit aus Kindern interessierte, weltoffene und tolerante Erwachsene werden, muss anderen Bereichen ihres Lebens das Gewicht verliehen werden, das sie verdienen.

Eine Wiener Volksschuldirektorin hat im Laufe der Lockdowns in einem Aufruf an die Eltern geschrieben: „Es ist in Ordnung: Wenn eure Kinder nicht alle Aufgaben schaffen. Wenn ihr euren Kindern nicht alles erklären könnt. Streitet euch nicht wegen Hausaufgaben. Stattdessen: Seid für die Kinder da! Wenn die Corona-Krise vorbei ist, wird sich kein Kind daran erinnern, was es für die Schule gemacht hat, aber jedes Kind wird sich daran erinnern, wie es sich gefühlt hat.“

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