Nischen-Vereinnahmung

Von Redaktion · · 2008/05

Es gibt viele verschiedene Versionen der Idee vom verträglichen Reisen. Welchen davon man trauen kann, hat NI-Redakteur Chris Brazier recherchiert.

Alternatives oder verantwortliches Reisen wird in immer zahlreicheren Varianten angeboten. 2006 wurde rund eine Million Reisen gebucht, die dieser Kategorie zuzuordnen sind, und nach Prognosen der Branche werden es 2010 mehr als 2,5 Millionen sein. Aber wer entscheidet darüber, welcher Urlaub „verantwortlich“ ist, und nach welchen Kriterien?
Natürlich will niemand, dass ethischer Tourismus ein alternatives Ghetto bleibt. Positive Ideen werden aber regelmäßig vom „Mainstream“ in Beschlag genommen und verwässert. Ein Musterbeispiel dafür ist das explosive Wachstum des „Ökotourismus“. Es gibt nach wie vor viele Reiseveranstalter, für die der Schutz der Umwelt Vorrang hat, aber es gibt heute weit mehr, die darin bloß einen weiteren Marketingtrick sehen und etwa ein Standardpaket mit einem Tagesausflug in den Regenwald aufputzen. Ein „Öko“-Urlaub, bei dem man nach Ecuador fliegt und mit einem riesigen Kreuzfahrtschiff die Galápagosinseln besucht, ist alles andere als ein leuchtendes Beispiel für ganzheitliches Denken.

Es gibt lobenswerte Alternativen wie „Pro-Poor Tourism“, „Verantwortliches Reisen“, „Ethisches Reisen“ und „Community Based Tourism“. Die Nichtregierungsorganisation Tourism Concern arbeitet mit der britischen Fair Trade Foundation an einem Konzept für „Fair Trade“-Reisen. „Selbst wenn nur ein Prozent der Touristen, die nach Ägypten kommen, sich für diese Art des Tourismus entscheidet, würde das unser Leben völlig verändern“, sagt Sherif Al Ghamrawy, ein ägyptisches Mitglied des Netzwerks „Fair Trade in Tourism“. 1)
Das britische „Pro-Poor Tourism Partnership“ führte 2005 eine jährliche Aufstellung von beispielhaften „Pro-Poor“-Tourismusinitiativen ein, die die „Rhetorik in die Praxis“ umsetzen. Etwas entmutigend ist daher, dass die Ausgabe von 2007 wahrscheinlich die letzte sein wird – es gebe zu wenige gesicherte Daten, um eine positive Auswirkung auf die arme Bevölkerung zu belegen, heißt es darin. Das könnte daran liegen, dass die Organisation ursprünglich das ehrgeizige Ziel verfolgte, den „Pro-Poor“-Zugang im Mainstream zu verankern und mit der „privaten Tourismusbranche zusammenzuarbeiten, um größere Wirkung zu erzielen“. 2)
In einzelnen Fällen scheinen lokale Gemeinschaften aber zu profitieren. Das Ökotourismus-Projekt Nam Ha in Laos hat 13.000 BesucherInnen in eines der ärmsten Gebiete des Landes gelockt, wo sie 320.000 US-Dollar für lokale Produkte und Dienstleistungen ausgaben. Das Dorf Nam Dee, Teil dieses Projekts, erhält nun 80 Prozent der Eintrittsgebühren für den Nam Dee Wasserfall. Einnahmen aus dem Ökotourismus stellen in einigen Dörfern bis zu 40 Prozent des Gesamteinkommens, und ein großer Teil davon wird für essenzielle Arzneimittel, Reis, Bekleidung und Haushaltsutensilien ausgegeben.
„Gambia is Good“ ist ein weiteres Beispiel eines „Pro-Poor“-Tourismus. Adama Bah, der Gründer des Projekts, erzählte vergangenen November in London von seinen Bemühungen, Hotels dazu zu bringen, mehr Produkte von lokalen BäuerInnen zu kaufen anstatt sie aus dem Ausland einfliegen zu lassen. Einige Erfolge wurden erzielt. Schätzungsweise elf Prozent des Geldes, das TouristInnen in Gambia für Nahrung und Getränke ausgeben, hat eine „Pro-Poor“-Wirkung. Als ich ihn auf „alternative Projekte“ ansprach, reagierte Adama ziemlich abweisend – je mehr und je größere Hotels sich lokal versorgen, desto höher der Nutzen für die Gemeinschaft, so sein durchaus nachvollziehbarer Standpunkt.

Auch „Community Based Tourism“ findet immer größeren Anklang – und die Prinzipien des Konzepts scheinen einwandfrei zu sein. In Thailand etwa arbeitet das Community Based Tourism Institute (CBTI) mit rund 50 lokalen Gemeinschaften zusammen, die spezielle Programme für TouristInnen anbieten, die gerne erfahren würden, wie sich das Leben im ländlichen Thailand wirklich abspielt. Diese Programme gehen auf das Thai Volunteer Service zurück, bei dem sich vor 20 Jahren frische UniversitätsabsolventInnen, zumeist Angehörige der städtischen Mittelschicht, zu zwei Jahren Arbeit auf dem Land verpflichteten.
Das CBTI will die lokalen Gemeinschaften einerseits in die Lage versetzen, ihre Kultur und Lebensweise, ihr traditionelles Wissen und Verhältnis zur natürlichen Umwelt zu fördern, sowie andererseits zur nachhaltigen Entwicklung und zur Verbesserung der Lebensqualität der beteiligten Gemeinschaften beitragen.
Zweifellos gibt es aber etliche Reiseveranstalter, die ihre Beiträge an die lokalen Gemeinschaften ziemlich übertreiben werden. Wie viele würden schon zugeben, dass sie den Löwenanteil für sich behalten und sich einen Dreck um die Kultur und die Wertvorstellungen der lokalen Gemeinschaften kümmern?

1) Tourism Concern, Fair Trade in Tourism, 2003
2) Annual Register 2007, www.propoortourism.org.uk

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