Sally Nyolo, „Béti“ Lusafrica (Österreich-Vertrieb: Hoanzl)

Von Wolfgang Kos · · 2000/05

„Musik aus Afrika“. Das klingt klarer als es ist. In Zeiten des „global zapping“ ist aber auch „Afro“ ein geographisch längst hybrider Begriff. Erstens fließen in die afrikanische Populärmusik seit Jahrzehnten Musiksprachen anderer Kontinente, von Rumba bis Reggae und Rap, woraus sich immer wieder neue und durchaus authentische Stile ergaben. Und zweitens wird die Kultur Afrikas seit langem von afrikanischen Künstlern wesentlich mitformuliert, die außerhalb Afrikas leben – man denke an die Diaspora-Szenen in Paris und London. Afrikanische Musiker haben in der Ferne vielfältige Rollen, die auf komplizierte Weise auf ihre Herkunftsregion zurückwirken: Sie musizieren auf Festen und ethnisch geschlossenen Klubs für die Binnenkultur von Afrikanern, die in Europa studieren und jobben. Sie können, wenn sie von Paris oder Brüssel aus operieren, das Weltmusik-Faible einer weißen Bildungsschicht besser bedienen. Und sie können, dank besserer Produktionsbedingungen, avancierte CDs einspielen, die wiederum den Musikern in Afrika Impulse geben.

Sally Nyolo lebt seit vielen Jahren in Paris. Ihr Kontext war die starke Kamerun-Szene, die sich in den achtziger Jahren dort etablierte (Moni Bile, Toto Guillaume, Vincent Nguini u.v.a.). Ersten kommerziellen Erfolg hatte sie als Mitglied der internationalen Vokal-Gruppe Zap Mama, die zu Stars im Weltmusik-Entertainment wurden.

Und nun ist Sally Nyolo, zumindest für die Dauer eines CD-Projekts, in das Dorf ihrer Kindheit zurückgekehrt. Verblüfft liest man, dass sie seit „mindestens zehn Jahren“ nicht mehr in ihrem Heimatdorf war. Statt Multikulti diesmal eine Begegnung mit der Monokultur ihres Stammes, zum Teil mit lokalen Musikern auf traditionellen Instrumenten aufgenommen. Im Titelsong „Béti“ hört man etwa die harfenähnliche Nvet, als Perkussionsinstrumente sind teilweise umfunktionierte Küchengeräte im Einsatz. Zu schrägen Bikutsi- und Bol-Rhythmen ertönen frischfreche Sprechgesänge (teils französisch, teils lokalsprachlich, manchmal englisch), Regenwald-Gstanzln sozusagen. Nie wird verwischt, dass die Heimkehrerin inzwischen eine eigene, fremde, Welt im Gepäck hat. Ein Lied heißt „Original“ und fusioniert regionalen Rhythmus mit kubanischem Son. In den Texten treten selbstbewusste Frauen auf, die nicht mehr länger den Dorfmachos hinterher putzen wollen. „Ich träume davon“, heißt es einmal, „dass eines Tages meine Töchter Speerspitzen sein werden“. Untertitel des Albums: „Un jour au village“ (Ein Tag im Dorf).

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