Und ewig lächelt der Diktator

Von Gerhard Pulfer · · 1999/03

Syriens Staatschef Hafez al-Assad hat in 28jähriger Herrschaft ein unerschütterliches Machtgefüge aufgebaut. Das Oberhaupt einer linksnationalistischen Familiendiktatur sitzt fest im Sattel – nur mit der Gesundheit hat der Präsident Probleme.

Das Ergebnis der Präsidentenwahlen vom 8. Februar stand schon im vorhinein fest – unsicher war nur das Ausmaß der Dezimalstellen beim Wahlsieg. Die letzten Wahlen im Dezember 1991 hatten Assad für eine vierte Amtsperiode mit 99,98% der Stimmen bestätigt – diesmal kam er auf ….. Der Staatschef selbst schreibt dieses Wahlergebnis seiner außerordentlichen Beliebtheit zu. Es kommt jedoch der Wahrheit näher, das diktatorische Regierungs- und das dazupassende Wahlsystem für die immerwiederkehrenden Wahlerfolge Assads verantwortlich zu machen.

Auch die alle vier Jahre stattfindenden Wahlen zur Volksversammlung verändern nichts am Charakter des Systems. Die einzige positive Veränderung bei den Wahlen Ende 1998 betraf die gestiegene Wahlbeteiligung.

Da keine Oppositionsparteien zur Kandidatur zugelassen sind, sondern lediglich KandidatInnen des Baath-dominierten Bündnisses National Progressive Front (NPF) sowie „Unabhängige“ angetreten sind, läßt dies bei 7400 BewerberInnen für 250 Sitze zumindest auf mehr Konkurrenz innerhalb der Partei schließen.

Syrien wird seit bald drei Jahrzehnten von Assad und seinen Vertrauten beherrscht. Sieben Jahre nachdem der sozialistisch und panarabisch orientierte syrische Zweig der Baath-Partei durch einen Staatsstreich die Macht übernommen hatte, gelang es Assad 1971 durch einen internen Putsch – der sogenannten „Kurskorrektur“-,die Führung dauerhaft an sich zu ziehen.

Um sich selbst vor Putschversuchen abzusichern, hat sich Assad von Anfang an mit Verwandten und engen Vertrauten umgeben, vor allem mit Mitgliedern seiner eigenen religiösen Minderheitsgruppe, den Alawiten. Drei Viertel der syrischen Bevölkerung gehören dem sunnitischen Islam an.

Von Beginn an wurde jegliche Opposition brutal unterdrückt. Die Staatsgewalt richtete sich vor allem gegen Angehörige der islamischen Opposition, der Moslembruderschaft. Herausragend in der blutigen Herrschaftschronik des Präsidenten sind dabei vor allem die Massaker von Tadmur (Palmyra) und Hama. Nach einem Attentatsversuch auf den Präsidenten wurden 1980 von Truppen unter der Führung von Assads Bruder Rifaat ca. 500 Moslembrüder in der Gefängnisanlage von Tadmur hingerichtet. Zwei Jahre später wurde ein Aufstand der Moslembrüder in der Stadt Hama, die einen hohen traditionell-islamistisch orientierten Bevölkerungsanteil aufweist, blutig niedergeschlagen. Die Bilanz: fünf- bis fünfzehntausend Todesopfer.

Selbst heute noch ist es in Hama schwierig, auf Menschen zu treffen, die mit Ausländern über diese Vorfälle sprechen. Entsprechende Fragen werden mehr oder weniger geschickt umgangen. Ein älterer Bewohner Hamas ist aber schließlich doch bereit, sich an die damaligen Geschehnisse zu erinnern: „Soldaten haben alle jungen Männer zwischen 16 und 40 wahllos aus ihren Häusern gezerrt, auf der Straße aufgestellt und mit Maschinengewehren erschossen. Ganze Viertel, wie etwa jenes um den alten Bazar, wurden durch Bomben und Artillerie dem Boden gleichgemacht, ebenso wurden 15 Moscheen zerstört.“

Heute deutet nichts mehr auf diese Zerstörungsorgie hin. Der Wiederaufbau der großen Moschee von Hama wurde vor kurzem abgeschlossen, und eine überlebensgroße Statue Hafez Assads an der Einfahrtsstraße aus Damaskus scheint den Triumph des „Präsidenten“ über die Zeit hinweg zu konservieren.

Über Innenpolitik und interne Probleme wird in Syrien generell ungern gesprochen. Zu tief sitzt die Furcht vor dem Sicherheitsdienst. Allenfalls wird Assad beiläufig gelobt oder das Desinteresse an Politik bekundet. Die syrischen Medien sind an diesem Verhalten nicht unerheblich beteiligt, sind ihre innenpolitischen Artikel doch derart inhaltslos und nichtssagend, daß es für den Normalbürger unmöglich erscheint, sich ein einigermaßen objektives Bild von innenpolitischen Ereignissen und Entscheidungen zu machen. Lobeshymnen auf die „weise und couragierte Führung“ Assads bestimmen die „Berichterstattung“.

Das Internet als Informationsmedium wurde bisher in Syrien noch nicht erlaubt, würde aber ohnedies nur jene Elite erreichen, die sich einen Computer leisten kann und über das Know-how zur Nutzung verfügt. Satellitenanlagen sind somit das Tor zur Informationswelt. Sie werden geduldet, doch sind sie ebenso wie Computer für den Normalbürger nur schwer erschwinglich.

Der Staatschef ist allgegenwärtig in Syrien. Der Mann mit dem Schnurrbart blickt mit einem milden Lächeln von unzähligen Wänden, von kleineren Plakaten, von riesigen Transparenten, von Steintafeln irgendwo am Straßenrand. Beinahe ebenso allgegenwärtig ist Basil al-Assad, der zum Nachfolger bestimmt gewesene Sohn des Präsidenten, welcher vor einigen Jahren bei einem Autounfall ums Leben kam. Basil wird deshalb in der Öffentlichkeit oftmals im Himmel schwebend über Assads Kopf dargestellt.

Mit dem Tod Basils ist wieder neues Leben in die Nachfolgediskussion um Hafez al-Assad gekommen. Völlig aus dem Rennen ist Rifaat al-Assad, Hafez‘ jüngerer Bruder, der in seinen Nachfolgebestrebungen zu viel Eifer an den Tag gelegt hatte.

Als Nachfolgekandidat scheint nun Basils jüngerer Bruder Bashar aufgebaut zu werden, der bisher allerdings wenig Interesse an der Politik und am Militär – als Karrierepfad zum Präsidentenamt – bekundete.

„Sie nennen den Staat Syrisch-Arabische-Republik, doch es ist der Präsident, der seinen Sohn zum Nachfolger bestimmt, wie in einem Königreich. Es gibt auch keine Demokratie, und wer opponiert, wird sofort verhaftet,“ charakterisiert ein Gesprächspartner aus Hama die syrische Erbfolgepolitik.

Die angeschlagene Gesundheit des 67jährigen Präsidenten und die ungewisse Nachfolge bereitet allerdings nicht nur den Syrern selbst Kopfzerbrechen. Von ebenso großer Bedeutung ist diese Frage vor allem für den Libanon, wo derzeit rund 35. 000 syrische Soldaten stationiert sind, da der Libanon von syrischer Seite als Teil der ehemaligen großsyrischen Provinzen gesehen wird. Ohne Konsultation mit und Zustimmung aus Damaskus kann in Beirut keine Politik gemacht werden, ebenso wäre ein libanesischer Präsident oder Premierminister ohne syrischen Segen undenkbar.

Ebenso bedeutsam ist die Nachfolge Assads für die Palästinenserfrage, da dieser weiterhin ein Gegner des Friedensprozesses nach dem Osloer Modell ist und Arafats Opposition sowohl politisch als auch materiell unterstützt.

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ist Syrien immer noch im Prozeß einer schleppenden strategischen und wirtschaftlichen Neuorientierung gefangen. Zwar öffnete Assad sein Land durch die Teilnahme am Golfkrieg auf Seiten der Alliierten dem Westen und konnte neben US-amerikanischen Sympathiepunkten auch Wirtschaftshilfe einstreichen, doch kam dieser Öffnungsprozeß in der Folge wieder zum Erliegen. Assads Syrien verharrt weiterhin in der politischen und wirtschaftlichen Selbstisolation.

Der Autor studierte Politikwissenschaft in Wien und absolvierte kürzlich ein halbjähriges Praktikum bei einer palästinensischen Nichtregierungsorganisation.

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