Verkaufsargument Gewissen

Von Irmgard Kirchner · · 2003/06

Die Nichtregierungsorganisationen sollen soziale Unternehmensberatung leisten. Und das rasch.

Griffig ist er nicht. Trotzdem werden wir uns diesen Begriff merken müssen: „Corporate Social Responsibility“ (CSR), auf Deutsch „soziale Unternehmensverantwortung“.
Es tut sich was in Österreich zu diesem Thema. Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung arbeiten an einem „Leitbild“ für „CSR Austria“ bis Ende des Jahres. Parallell dazu arbeitet die Kontrollbank an „Leitlinien“ für soziale Unternehmensverantwortung.
Die Wirtschaft hat auch hierzulande das Gewissen als Verkaufsargument entdeckt. Glaubt man einer aktuellen Studie, sollen bereits 70 Prozent der KonsumentInnen in Europa sich dafür interessieren, ob ihre Kosmetik im Tierversuch getestet oder der Sportschuh mit Kinderarbeit gefertigt wurde oder ob der Konzern hinter ihrer Benzinmarke gravierende Umweltsünden auf dem Gewissen hat. Dem vorangegangen ist jahrelange mühevolle Kampagnenarbeit von Nichtregierungsorganisationen (NGOs).

Wo sind die Schalthebel der Macht in einer globalisierten Welt? Wohl eher in den Konzernzentralen als in den Regierungsgebäuden. Und wie kann man auf Konzerne Wirkung erzielen? Durch kritischen Konsum bzw. Konsumverweigerung. Aus dieser Überlegung entstanden internationale Initiativen und Kampagnen wie der Faire Handel, die Clean Clothes Kampagne für faire Arbeitsbedingungen oder jüngst „Stopp Esso“. Bücher wie das „Schwarzbuch Markenfirmen“ oder „No Logo“, die die unsauberen und unmenschlichen Praktiken der Firmen aufzeigen, wurden zu internationalen Bestsellern. Österreichische entwicklungspolitische NGOS beteiligen sich an einschlägigen internationalen Kampagnen oder richten ihr Augenmerk auf heimische Unternehmen. Etwa die Sudan-Plattform, die das OMV-Engagement im Sudan kritisch beleuchtet.
Die Reaktion der kritisierten Unternehmen verläuft meist gleichartig: Nach anfänglichem Ignorieren der Proteste wird mit Killerargumenten abgewehrt. Die geforderten Maßnahmen seien zu teuer, eine Kontrolle der Zulieferbetriebe sei nicht möglich. Um sich dann – Stichwort Verkaufsargument – schließlich selbst Kodizes zu geben. Unabhängige Überprüfungen oder Berichte gibt es meist nicht.

In Österreich steht trotz der reichhaltigen praktischen Erfahrungen im Detail ein schwerpunktmäßiges, starkes zivilgesellschaftliches Auftreten in Sachen „soziale Unternehmensverantwortung“ noch aus. Die entwicklungspolitischen NGOs überlegen noch, diesen Bereich zu einem Schwerpunktthema zu machen. Derweil lädt die Wirtschaft unter ihren Bedingungen zum Dialog ein. Die Zeit drängt. Wenn sich die NGOs nicht rasch und heftig in diesen Prozess hineinreklamieren, bleibt ihre Expertise ungenutzt. Und auch die Wirtschaft sollte ihr CSR-Leitbild nicht ohne starke NGO-Mitwirkung erstellen.
Denn sonst handelt es sich wohl nicht um eine ernst genommene „Verantwortung“ sondern um eine clevere PR-Strategie. Bis zur nächsten Kampagne.

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