Weltwirtschaft neu denken

Von Barbara Ottawa · · 2023/Mar-Apr
© Thomas Kussin

Anlässlich 10 Jahre Rana Plaza: Stimmen zur Neuordnung der globalen Wirtschaft und der Lieferketten werden lauter – jene aus dem Globalen Süden werden aber noch zu wenig gehört.

Es kommt Bewegung rein: „Die Wirtschaft.“ „Der Markt.“ Diese gesichtslosen Kräfte, die globale Zusammenhänge bestimmen, sind vor allem durch neoliberale Ansätze völlig „entmenschlicht“ worden. Für viele Teile der Zivilgesellschaft ist das schon seit Jahrzehnten klar, aber nun scheint diese Erkenntnis auch auf politischer, multinationaler Ebene angekommen zu sein: Sowohl innerhalb der EU, der OECD als auch der UN wird versucht, mehr oder weniger rechtswirksame Vorschriften einzuführen, um die Faktoren Menschenrechte und Klimakrise in die Diskussion um Änderungen an Wirtschafts- und Finanzsystemen einzubringen. Zumindest im Fall jener Länder, die sich den Umgang mit diesen Themen auf die Fahnen heften wollen.

Fast könnte man meinen, dass Initiativen der Klima- und Menschenrechtskritik der vergangenen Jahrzehnte, von den Protestierenden der 2010er Jahre, die sich gegen das transatlantische Freihandelsabkommen stellten, bis hin zur Clean Clothes-Kampagne für bessere Bedingungen in der Textilbranche weltweit, von der Politik gehört worden sind. Es zeichnen sich Erfolge ab, wie etwa rund um das Thema Lieferkettengesetz – auch wenn handfeste Ergebnisse oft noch auf sich warten lassen.

Einer der größten Kritikpunkte ist, dass multinationale Konzerne, die zur Verantwortung gezogen werden sollen, mit an den Verhandlungstischen sitzen. Und so eben doch keine wirkliche Veränderung geschafft werden kann. Das sehen vor allem Akteur:innen aus dem Globalen Süden problematisch.

So auch die Debatten über einen Vertrag auf UN-Ebene, einen Treaty für den Bereich Menschenrechte und Wirtschaft: Multinationale Unternehmen und andere wirtschaftliche Aktivitäten sollen verbindlichen menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten unterworfen werden, die in den einzelnen Staaten im nationalen Recht verankert werden.

Aktuell wird dazu ein Entwurf verhandelt: „Die Diskussionen werden durch wirtschaftliche und politische Machtverhältnisse verzerrt“, kritisieren Ayushi Kalyan und Ana María Suárez-Franco von FIAN International in einer gemeinsam formulierten E-Mail an das Südwind-Magazin. Kalyan zeichnet bei der Ernährungs-NGO verantwortlich für Rechenschaftspflichten von Unternehmen. Suárez-Franco beschäftigt sich ebenfalls mit der Kontrolle solcher Vorgaben.

Regeln statt Freiwilligkeit. Entscheidend ist für viele Beobachter:innen dabei, dass Regeln, Kontrollen und Gesetze verpflichtend sind, und nicht nur auf Freiwilligkeit setzen. Darum geht es laut den FIAN-Vertreter:innen auch beim UN-Treaty: „Obwohl viele industrialisierte Nationen mittlerweile in unterschiedlichen Foren und regionalen Prozessen einräumen, dass freiwillige Standards ineffizient sind, spiegelt sich das nicht wirklich in ihrer Beteiligung in den Sitzungen wider“, so Kalyan und Suárez-Franco. Einige wirtschaftlich stärkere Staaten versuchten entweder, den Menschenrechtsschutz im Text zu verwässern oder in der Debatte auf schwächere Alternativprozesse zu pochen. „Das sind die ‚Heimatländer‘ für viele globale Konzerne und Unternehmen, die in ressourcenreichen Ländern in Asien, Afrika und Lateinamerika operieren.“

Harsche Kritik am Einfluss von Unternehmen in den Verhandlungen über das Abkommen auf UN-Ebene zu Wirtschaft und Menschenrechten, übt auch Moïse Mbimbe, Gründer der Initiative „Young Friends of the Treaty (YouFT)“, die sich 2019 in Mozambique etabliert hat und mittlerweile in mehr als ein Dutzend afrikanischer Staaten vertreten ist.

„Die Wahrnehmung von Bürger:innen des Globale Südens ist, dass die europäischen Staaten es vermeiden, ein internationales System zu schaffen, dass die Menschenrechtsverpflichtungen ihrer Firmen im Globalen Süden stärkt“, sagte Mbimbe dem Südwind-Magazin. (Das ganze Interview lesen Sie auf der Seite 13 dieser Ausgabe.) Die YouFT will die Stimmen der Jugend in die Diskussion um den UN-Treaty einbringen.

Eine stärkere Verknüpfung der UN mit multinationalen Konzernen gibt es auch in Gestalt des Weltwirtschaftsforums (WEF), bei dem sich Wirtschaftsvertreter aus über 100 Ländern regelmäßig im Schweizer Davos treffen. „Zwar üben Unternehmen schon lange ihren Einfluss auf das UN-System aus, aber unter den neuen Bedingungen der UN-WEF-Partnerschaft wird die UN permanent mit multinationalen Unternehmen verbunden sein. Langfristig könnten Unternehmensvorstände so zu ‚Einflüsterern‘ hoher UN-Beamter werden.“ So die Kritik des 1974 gegründeten Transnational Institute mit Sitz in Amsterdam.

Quelle: Weltbank Data, data.worldbank.org
Quelle: UN Human Development Reports 2022, hdr.undp.org/data-center

Wirtschaftswachstum ist nicht alles

Die Wirtschaft muss wachsen. Das bleibt das Credo vieler neoliberaler Ökonom:innen. Sie bewerten Staaten nach Indikatoren wie dem Bruttoinlandsprodukt (BIP). Wenn man sich die Entwicklung dieses „Gesamtwerts aller Waren und Dienstleistungen“ eines Landes im Jahresvergleich ansieht, ergibt sich – egal ob für Österreich oder Pakistan (das sowohl in diesem Wirtschaftsschwerpunkt als auch im Dossier ab S. 26 Thema ist) – ein hektisches Auf und Ab, denn keine Wirtschaft erzielt stetiges Wachstum. Die Grafik links oben zeigt deutlich: Extreme Einbrüche sind gefolgt von extremen Aufschwüngen. Die Grafik rechts oben gibt auch rein optisch eine langfristig beruhigtere Kurve wieder: Der Human Development Index (HDI) misst Entwicklungen im Gesundheits- und Bildungsbereich sowie das Pro- Kopf-Einkommen. Hier geht es stetig bergauf.

Und sie bewegen sich doch … Positiv sehen einige Ökonom:innen im Globalen Süden wie Norden, dass manche Dinge überhaupt erstmals breit diskutiert werden. So sagte Wirtschaftsprofessorin Jayati Ghosh, die in Neu-Delhi lehrte und nun an der University of Massachusetts tätig ist, der alternativen Schweizer „Wochenzeitung“: „Viele der alten wirtschaftlichen Orthodoxien sind am Bröckeln. Viele Politiker:innen sprechen aufrichtig über eine grüne Transformation und über die Notwendigkeit von mehr sozialer Sicherheit. Vor zehn Jahren war das alles kaum Thema in der Politik.“

Aber auch sie bekräftigt, dass Unternehmen mehr zur Verantwortung gezogen werden müssen, und zwar über eine stärkere Regulierung der Wirtschaft und höhere Steuern.

Ghosh ist außerdem eine jener vielen Ökonom:innen, die nicht müde werden, die Kennzahl des Bruttoinlandsproduktes (BIP) als Ausgangspunkt für wirtschaftspolitische Entscheidungen zu kritisieren. Sie bestätigt zwar, dass die Problematik vielen bewusst ist, sieht jedoch, dass sie von den meisten Regierungen ignoriert wird: „Nationales Einkommen in BIP auszudrücken blendet Verteilungsproblematiken aus und misst weder die Lebensqualität noch die Nachhaltigkeit eines Produktions-, Verteilungs- und Konsumsystems.“

So werden etwa Leistungen, die außerhalb des anerkannten Marktsystems erbracht werden, wie etwa Ehrenämter oder Haus- und Pflegearbeit, überhaupt nicht einberechnet. Sie stellen aber in praktisch allen Ländern einen wichtigen Teil der Lebensrealität dar.

Das Gwirks mit dem BIP. Ökonomin Ghosh wurde im April 2022 in ein neu gegründetes UN-Beratungsgremium bestellt, das über neue Kennzahlen diskutiert. Als größten Stolperstein für Änderungen in der Messung einer Wirtschaftsleistung nennt dieses Gremium jedoch das Fehlen von Daten in vielen Bereichen.

Für Markus Marterbauer, Ökonom der Arbeiterkammer Österreich, gehen deshalb diese Debatten in die richtige Richtung, weil zu vielen Themen erstmals Fakten und Zahlen gesammelt werden: „Dass neue Indikatoren in die Messung des Wohlstandes eingebracht werden, halte ich für einen großen Fortschritt“, so Marterbauer. „Und auch wenn nicht alles, was der Staat macht, positiv ist, impliziert das, dass gesellschaftliche Lösungen, die über reine Marktlösungen hinausgehen, wieder wichtiger sind.“

Die Macht der Zahlen 

Wie Wirtschaftsleistung messen? Und wie vergleichen? Gerade das Südwind-Magazin stößt bei diesen Fragen immer wieder an Grenzen. Denn der „Klassiker“, das Bruttoinlandsprodukt (BIP), den auch wir für unsere Infokästen verwenden, wird seit Langem zu recht hinterfragt. Das BIP „blendet Verteilungsproblematiken aus“, kritisiert etwa die indische Ökonomin Jayati Ghosh. „Das BIP liefert auch keine Aussagen darüber, was an Gütern produziert wird und für wen“, argumentiert Hans Holzinger, Wirtschafts- und Sozialgeograph, in einem Beitrag für ein Südwind-Magazin „Extrablatt“ im Jänner 2023.  

Bereits 2002 betonte der damalige Wirtschaftsredakteur des Südwind-Magazins, Robert Poth (er ist aktuell unser Lektor): „Solange das Bruttoinlandsprodukt die maßgebliche Messgröße des Fortschritts bleibt, sieht es schlecht aus mit einer nachhaltigen Entwicklung.“

Neue Indikatoren sind also gefragt. Holzinger etwa verweist auf die Donut-Ökonomie der britischen Wirtschaftswissenschafterin Kate Raworth, eine Buchhaltung über eine Ökonomie, die dem Wohlbefinden dient. Der Name leitet sich von ihrem Bild der Gesellschaft ab, die von einem Kreis aus Ökologie, Politik und Wirtschaft umgeben wird, die im Einklang existieren.

Journalist Poth rät, darüber nachzudenken, warum an Konstrukten wie dem BIP so hartnäckig festgehalten wird. Sehr vereinfacht gehe es darum, dass der Kapitalismus eine Geldvermehrungsökonomie ist, keine Wohlstandsvermehrungsökonomie. Im Rahmen dieses System müsse man wissen, wer wem wieviel Geld schulde. BIP, die Inflationsrate usw., diese Konstrukte seien dabei nötig, um die Beziehungen zwischen den Akteuren der Geldökonomie zu regeln.  

Abseits davon gibt es Indizes, mit denen man sich etwas behelfen kann. Sie bilden nur einen Teil gesellschaftlicher oder wirtschaftlicher Entwicklungen ab: der HDI, der Index der menschlichen Entwicklung (englisch Human Development Index); oder der Gini-Koeffizient, ein statistisches Maß für die Ungleichverteilungen bzw. der „ökologische Fußabdruck” von William Rees und Mathis Wackernagel.    sol

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Der AK-Ökonom bleibt aber vorsichtig, ob angedachte Standards dann in die richtige Richtung gehen bzw. wirklich angewandt werden. „Letztendlich geht es immer um Macht und politische Interessen.“ Und die Vertreter:innen des wirtschaftspolitischen Ansatzes, der v. a. auf unregulierte Märkte setzt, hätten nach wie vor sehr großen Einfluss. Marterbauer ist jedoch überzeugt, dass das Vertrauen in den Neoliberalismus rückläufig ist: „Der neoliberale Siegeszug, der in den 1980er Jahren begonnen hat, ist durch die Finanz- aber auch die Covid-Krise doch schwer erschüttert. Nicht einmal der Internationale Währungsfonds sagt heute, dass unregulierte Finanzmärkte wohlstandsfördernd sind.“

Als „enormes Hoffnungselement“ für einen möglichen globalen Kurswechsel sieht der Ökonom die starke Politisierung der Jugend.

Das sieht Wirtschaftsprofessorin Ghosh ähnlich: „Ich bewundere die Jugend mehr und mehr und vor allem (wenn auch nicht nur) die jungen Frauen. Sie sind oft so furchtlos, intelligent, gewitzt und kreativ, so entschlossen, für den Wandel zu kämpfen trotz der immensen Größe der Herausforderungen, denen sie gegenüberstehen“, so Ghosh. „Wir hinterlassen ihnen eine furchtbare Welt voll mit existenziellen Bedrohungen wie Klimawandel und enormen Problemen in Sachen soziale und wirtschaftliche Ungerechtigkeit. Irgendwie scheinen sie sich dieser Herausforderungen jedoch bewusst zu sein und sind gewillt, sich ihnen zu stellen.“

Was tun, um den nächsten Generationen gerade in den Ländern des Globalen Südens einerseits eine klimagerechte Zukunft zu ermöglichen und andererseits auch wirtschaftliche Chancen zu hinterlassen? Viele setzen sich für ein Umdenken bei der internationalen Schuldenpolitik ein, die viele Staaten in eine wirtschaftliche Sackgasse treibt, etwa aktuell in Sri Lanka und Pakistan. Der pakistanische Umweltforscher Adil Najam etwa plädiert dafür, Staatsschulden mit nachhaltigen Investitionen gegenzurechnen (siehe Interview auf Seite 36 in dieser Ausgabe).

Reformen bestehender Wirtschaftssysteme müssen, sind sich Expert:innen einig, jedenfalls global gedacht werden. Hier sieht Surya Deva, Wirtschaftsprofessor an der University of Macquarie im australischen Sydney, die Diskussionen um die UN-Richtlinie zu Menschenrechten und Wirtschaft als wichtigen Schritt, auch wenn der Ausgang bislang unsicher ist. „Der Prozess hat viele entwickelte Staaten – so auch die EU – dazu gebracht, das UN-Projekt ernst zu nehmen.“

Noch immer gibt es aber wirtschaftlich und politisch sehr einflussreiche Staaten, wie etwa China oder Russland, die sich in der Menschenrechtsdebatte praktisch gar nicht einbringen.

© Thomas Kussin

Beispiel Lieferkettengesetze. Es bedarf also eines massiven Umdenkens auf verschiedenen Ebenen. Die Argumentation, nicht zuletzt aus dem Globalen Süden, dass Konzerne zu viel Einfluss auf Verhandlungen und in den Diskussionen haben, betrifft auch das Lieferkettengesetz auf EU-Ebene. Das berichtet z. B. FIAN International.

FIAN sieht die bisher geplante Umsetzung mehr als Selbstschutz der EU für ihre Unternehmen als eine Maßnahme, die betroffenen Ländern ausreichend Schutz bieten kann. Ein Problem sei, dass die Vorschriften nur für börsennotierte Unternehmen gelten sollen und dass Firmen unter einer noch festzulegenden Größe bis 2028 von den Verpflichtungen ausgenommen sind. „Dass die Richtlinie nicht für alle Unternehmen gilt, wirft die Frage auf, welche Position die EU hier bezieht“, geben Kalyan und Suárez-Franco von FIAN International zu bedenken.

Heftige Einwände an einem von der Europäischen Volkspartei (EVP) eingebrachten Änderungsvorschlag zur EU-Richtlinie kam von der deutschen „Initiative Lieferkettengesetz“, ein Bündnis von 130 Entwicklungs-, Umwelt-, Menschenrechtsorganisationen und Gewerkschaften. In einem offenen Brief prangern sie die vorgeschlagene Verschiebung der vollständigen Umsetzung auf 2033 sowie die Ausklammerung des Finanzsektors an.

Darüber hinaus sehen sie in dem EVP-Vorschlag eine deutliche Verwässerung: In vollem Umfang „sollen die Sorgfaltspflichten nur mit Blick auf direkte Geschäftspartner gelten, so wie beim deutschen Gesetz“, bemängelt die Initiative. Subauftragnehmer:innen, die in der Realität oft eine wichtige Rolle spielen, werden nicht miteinbezogen. „Tiefer in der Lieferkette sollen Unternehmen erst dann aktiv werden, wenn sie von dortigen Menschenrechtsverletzungen erfahren. Das heißt: Wenn der Schaden schon eingetreten ist.“

Zu geringer Tiefgang ist auch einer der Hauptkritikpunkte am deutschen Lieferkettengesetz, dass 2023 für große Unternehmen eingeführt wurde. In anderen Ländern gibt es ebenfalls Nationale Aktionspläne zu Wirtschaft und Menschenrechten. Frankreich hat dabei eines der umfassendsten Gesetze verabschiedet, das auch Sanktionsmaßnahmen beinhaltet.

Regeln, Gesetze, Initiativen 

Im Juni 2014 setzte der UN-Menschenrechtsrat auf Initiative Südafrikas und Ecuadors eine zwischen-staatliche Arbeitsgruppe ein, um ein internationales Abkommen (UN-Treaty) zu Wirtschaft und Menschenrechten anzudenken. 2021 wurde ein dritter Entwurf vorgelegt, der seither verhandelt wird. Kritisiert wird, dass der Auftrag der UN-Arbeitsgruppe zu vage ist und konkrete Fortschritte sowie Ergebnisse fehlen.  Das Informationsportal „Business & Human Rights Resource Centre“ sammelt Daten und Statements rund um die Thematik, inklusive einer Liste von Unternehmen, die sich für verbindliche Sorgfaltspflichten im Bereich Menschenrechte und Umwelt aussprechen. Einige wollen an den Verhandlungstischen ihre eigenen Versionen solcher Standards einbringen: business-humanrights.org

Das EU-Lieferkettengesetz, eigentlich die Corporate Sustainability Due Diligence-Richtlinie, liegt seit August 2022 als Entwurf vor. Mit ihr sollen Unternehmen verpflichtet werden, sich an Menschenrechts- und Umweltstandards zu halten. Deutschland hat seit 2023 ein Lieferkettengesetz, Frankreich seit 2017. In Großbritannien wurde der „Modern Slavery Act“ verabschiedet und in den Niederlanden fokussiert ein Gesetz auf Kinderarbeit. In Österreich wartet man darauf, was auf EU-Ebene passiert. Außerhalb Europas gibt es ähnliche Gesetze u. a. in Chile und Kenia (eine Übersicht findet sich auf GlobalNaps.org)

Der neue „Pakistan Acccord“ soll verbindliche Regeln für sichere und gesunde Arbeitsplätze in Bekleidungsfabriken bringen: Gewerkschaften und Modeunternehmen einigten sich Ende 2022. Dabei handelt es sich um ein rechtlich verbindliches Gesundheits- und Sicherheitsabkommen nach dem Vorbild des Bangladesch-Abkommens („Bangladesh Accord“, 2013). Konkret wird damit garantiert, dass die Fabriken inspiziert und überwacht werden. 187 Marken haben den „Pakistan Acccord“ unterzeichnet, bisher keine aus Österreich.  sol

Genug globalisiert? Geht es neben Regeln für die Wirtschaft um mehr, gar um ein mögliches Ende der Globalisierung? „Abschottungen, Lieferkettenprobleme und Sanktionen lassen daran zweifeln, dass es mit der ökonomischen Globalisierung einfach immer so weitergeht. Gerade die Coronapandemie hat uns die Verletzlichkeit einer vernetzten Weltwirtschaft schmerzhaft spüren lassen und uns schon eine Ahnung davon verschafft, dass es immer mehr Wohlstand nicht geben wird,“ schreibt der Journalist Stefan Mahlke im Vorwort der jüngsten deutschsprachigen Ausgabe des von ihm und Le Monde Diplomatique herausgegebenen „Atlas der Globalisierung“.

Diese Perspektive wird von vielen Ökonom:innen im Prinzip geteilt, aber die Lösungsansätze müssen differenziert betrachtet werden.

 Heiner Flassbeck, der frühere Chefökonom der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD), merkt in seinem Blog an: „Es war nicht die Globalisierung als solche, die ‚Konfliktpotenzial und Verletzbarkeit‘ mit sich gebracht hat, sondern die Art und Weise, wie die Globalisierung von den entwickelten Ländern den sich entwickelnden Ländern übergestülpt wurde.“

Der internationale Austausch von Gütern und Dienstleistungen kann Wohlstandsgewinne bringen, aber es müssen damit Entwicklungsziele verknüpft sein. Gerade die Globalisierung kann man nicht den Märkten überlassen, sondern die Politik muss Globalisierung gestalten, betont auch AK-Ökonom Marterbauer. Er spricht dabei von einer „emanzipatorischen Politik“, die unterschiedliche Interessen aus der Bevölkerung hört und einbringt. „Für Menschen mit weniger Wohlstand müssen so Chancen geschaffen, werden aufzuholen.“ Im Globalen Süden, wie im Norden.

(Der Beitrag wurde am 6.3.2023 erstveröffentlicht und dann nur leicht adaptiert)

Barbara Ottawa ist Fahrradbotin (in einem kleinen Kollektiv), freie Journalistin in Wien und schreibt u. a. für die „Zeitreisen“, die historische Beilage zur „Wiener Zeitung“.

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