Wem gehört die Welt?

Von Karin Küblböck · · 2000/10

Die Diskussion um „globale öffentliche Güter“ hat eine neue Dimension erreicht. Es wird in diesem Zusammenhang nicht nur von reiner Luft und sauberem Wasser geredet, sondern auch von sicheren Finanzmärkten, von Friedenserhaltung oder Aids-Prävention.

Als sich der Ökonom Adam Smith im 18. Jahrhundert über das Common Good Gedanken machte, war für ihn die Sache noch relativ einfach: Alles was privat produziert nicht genug Gewinn bringt, muss öffentlich hergestellt werden. Nach ökonomischen Kriterien ist ein Gut dann öffentlich, wenn zwei Voraussetzungen zutreffen:

Die Nicht-Ausschließbarkeit: Niemand kann vom Konsum des Gutes ausgeschlossen werden. Und zweitens die Nicht-Rivalität: Es kann von allen Personen in gleicher Weise konsumiert werden.

Ein Beispiel für ein öffentliches Gut ist reine Luft – niemand kann vom Atmen der reinen Luft ausgeschlossen werden, und alle können davon profitieren. Maßnahmen zur Luftreinhaltung werden somit nicht privat gesetzt, da es keine Möglichkeit gibt, jene die dafür nicht bezahlt haben, vom Atmen der reinen Luft auszuschließen. Da aufgrund dieser Logik für private Anbieter nicht genügend Profit zu erzielen ist, werden öffentliche Güter am freien Markt nur in unzureichendem Ausmaß produziert. Sie werden typischerweise durch staatliche Institutionen bereitgestellt, die durch die Steuereinhebung zum Beitrag verpflichten können.

Was beim Beispiel der Luft relativ eindeutig aussieht, verschwimmt bei anderen öffentlichen Gütern wie Gesundheit, Wissen, Sicherheit oder Menschenrechte. Nehmen wir den Bereich Wissen: Wenn eine Person lesen lernt, bedeutet dies nicht, dass andere Personen dies nicht lernen können. Jedoch ist es aber sehr wohl möglich, Personen zum Beispiel durch hohe Schulgebühren vom Erlernen dieser Fähigkeit auszuschließen.

Die wenigsten Güter sind „reine öffentliche Güter“. Gerade in letzter Zeit wird immer klarer, dass die Definition von „öffentlich“ und „privat“ nicht eindeutig durch die erwähnten ökonomischen Kriterien bestimmt werden kann. Die Definition ist vielmehr Gegenstand politischer Auseinandersetzung. Die Ausprägung des Sozialstaates in seiner heutigen Form ist ein Ergebnis davon. Bei der gegenwärtigen Privatisierungswelle fällt die Frage, welche Güter allen zur Verfügung stehen sollen, jedoch meist unter den Tisch.

Mit der zunehmenden Globalisierung wird es immer klarer, dass das Konzept der öffentlichen Güter auch grenzenübergreifend zur Anwendung kommt. Eine kürzlich erschienene UNDP-Publikation stellt fest, dass viele der heutigen weltweiten Krisen in einer ernst zu nehmenden Unterversorgung mit „globalen öffentlichen Gütern“ begründet liegen.

Die Zerstörung der Ozonschicht, die weltweiten negativen Folgen von Finanzkrisen, die zunehmende Ausbreitung von Aids oder die fortschreitende ungleiche Einkommensverteilung werden als Beispiele für fehlende Lösungsstrategien in diesem Bereich angeführt. Nur durch Zusammenarbeit der verschiedenen AkteurInnen kann die Unterversorgung mit „global public goods“ wie Umweltschutz, Stabilisierung der Finanzmärkte und Armutsbekämpfung behoben werden.

Erst wenn die Regierungen und andere internationalen AkteurInnen ihre gemeinsame Verantwortung für globale öffentliche Güter erkennen, so die HerausgeberInnen der UNDP-Publikation, kann dies zu einer Neugestaltung der Internationalen Zusammenarbeit führen.

Derzeit werden etwa ein Drittel der gesamten Entwicklungshilfeleistungen für globale öffentliche Güter wie Aidsbekämpfung oder Friedenssicherung verwendet. Diese Leistungen liegen aber im Interesse aller Menschen und sollten somit nicht aus dem Budget für Entwicklungszusammenarbeit, sondern aus einem gesonderten, zusätzlichen Budget finanziert werden. Weiters sollte jeder Staat seine Politikfelder hinsichtlich ihrer negativen Auswirkungen auf globale öffentliche Güter analysieren, mit dem Ziel, eine kohärentere Politik zu formulieren. Dazu bedarf es aber einer gemeinsamen Definition der globalen öffentlichen Güter, die – wie auf nationaler Ebene – nur Ergebnis einer politischen Auseinandersetzung sein kann. Ein großer Teil dieser Auseinandersetzung findet in Organisationen wie der WTO, den internationalen Finanzinstitutionen und der UNO statt. Entwicklungsländer haben dort erfahrungsgemäß nur geringe Chancen, ihre Interessen durchzusetzen. Die Debatte um die globalen öffentlichen Güter läuft somit Gefahr, dass sie in jenen Bereichen zu Handlungen führt, die im Interesse der Industrieländer und einflussreicher multinationaler Konzerne liegen.

Die Frage hängt so deutlich mit der Weltsicherheit zusammen, dass der US-amerikanische Geheimdienst die Lage mit der gleichen Aufmerksamkeit analysiert wie einst sowjetische Militärmanöver.“ Lester Brown, Präsident der US-Umweltstiftung Worldwatch, spricht hier nicht etwa von Terrorismusbekämpfung – die Rede ist vom zunehmenden Wassermangel in weiten Teilen der Erde. Die Zusammenhänge sind klar ersichtlich: Die schwindenden Wasservorräte Chinas können dazu führen, dass die Selbstversorgung des Landes mit Getreide in Gefahr ist. Wenn China aber den Zusatzbedarf an Getreide importieren muss, führt dies zu Knappheit und steigenden Getreidepreisen auf den Weltmärkten. Das würde viele Entwicklungsländer in existentielle Nöte bringen und könnte in der Folge Migrationsschübe auslösen.

Die Empfehlung der Geheimdienststudie: Die USA sollten China helfen, eine nachhaltigere Land- und Wasserwirtschaftsstrategie zu erarbeiten.

Doch nicht nur der Wassermangel stellt eine grenzenüberschreitende Gefahr dar. Eine CIA-Studie vom März 2000 identifizierte die weltweite Ausbreitung von Aids als eine Bedrohung der nationalen Sicherheit der USA. Daraufhin widmete Präsident Clinton 254 Millionen US -Dollar für Maßnahmen zur Aidsbekämpfung.

Wasserversorgung und Seuchenbekämpfung werden also vom US-Geheimdienst als „global public goods“ definiert. Damit spielt der CIA eine wichtige Rolle bei der Formulierung der US-amerikanischen Politik in diesem Bereich.

Krank oder gesund sein ist eine sehr persönliche Sache. Nicht nur, denn das subjektive Wohlbefinden und die Lebensqualität der Menschen steigt, wenn Krankheitsfälle in einer Gemeinschaft möglichst selten auftreten. Kann aber Gesundheit als „öffentliches Gut“ bezeichnet werden? Vier Fünftel der Gesundheitsausgaben werden heute für nur ein Fünftel der Bevölkerung dieser Erde ausgegeben. Im Falle von Aids ist die Situation noch drastischer: Für 92% der Bevölkerung werden nur 8 % der Mittel eingesetzt.

Es ist also unbedingt notwendig, die lebensrettenden Medikamente vor Ort zu günstigen Preisen herzustellen. Dies wird aber durch die Vereinbarung über Intellektuelle Eigentumsrechte (Trips) der Welthandelsorganisation (WTO) verhindert. Vor der Unterzeichnung der Trips-Vereinbarung im Jahr 1994 konnte nur der Prozess für die Erzeugung eines Produktes patentrechtlich geschützt werden. Heute gilt das Patent auch für das Endprodukt.

Dadurch ist es nicht mehr möglich, Medikamente ohne die Erlaubnis des Patentinhabers zu produzieren. Länder wie Spanien oder Kanada haben eine Ausnahmeklausel durchgesetzt: In medizinischen „Notfällen“ müssen einem Land die Patentrechte gegeben werden.

Dass Aidsbekämpfung in Südafrika, wo jeder sechste Erwachsene mittlerweile von der Krankheit betroffen ist, einen solchen Notfall darstellt, steht wohl außer Frage. Im Jahr 1997 verabschiedete die südafrikanische Regierung ein Gesetz, welches es lokalen Firmen erlaubte, Aids-Medikamente auch ohne die Patente der großen Pharmakonzerne zu produzieren. Diese liefen dagegen sofort Sturm und übten Druck auf die US-Regierung aus, Sanktionsmaßnahmen gegen Südafrika zu verhängen.Vizepräsident Al Gore nahm die Sache persönlich in die Hand. Die US-Aidsorganisationen kamen aber der südafrikanischen Regierung zur Hilfe: Es gab keine öffentliche Wahlveranstaltung mehr, wo Al Gore nicht zu dieser Sache befragt wurde. Als Resultat stellte die US-Administration alle Sanktionspläne ein, Südafrika hat in diesem Fall gewonnen.

Die meisten Fälle gehen jedoch anders aus. Und die Trips-Vereinbarungen führen dazu, dass immer mehr Patente auf natürliche, seit Tausenden Jahren genutzte Ressourcen wie zum Beispiel Heilpflanzenextrakte vergeben werden. Wissen, das vormals der Gesellschaft gehörte wird der Allgemeinheit entzogen und für private Zwecke genutzt. Patentrechte stehen so über den menschlichen Grundbedürfnissen.

Lesetipp: UNDP (Publ.): Global Public Goods. International Cooperation in the 21st. Century, Oxford University Press, New York, Oxford 1999, 546 Seiten, ATS 350,–.

Karin Küblböck ist Ökonomin und wissenschaftliche Mitarbeiterin der Forschungsstiftung für Entwicklungshilfe (ÖFSE) in Wien.

Basic

Berichte aus aller Welt: Lesen Sie das Südwind-Magazin in Print und Online!

  • 6 Ausgaben pro Jahr als Print-Ausgabe und/oder E-Paper
  • 48 Seiten mit 12-seitigem Themenschwerpunkt pro Ausgabe
  • 12 x "Extrablatt" direkt in Ihr E-Mail-Postfach
  • voller Online-Zugang inkl. Archiv
ab € 25 /Jahr
Abo Abschließen
Förder

Mit einem Förder-Abo finanzieren Sie den ermäßigten Abo-Tarif und ermöglichen so den Zugang zum Südwind-Magazin für mehr Menschen.

Jedes Förder-Abo ist automatisch ein Kombi-Abo.

84 /Jahr
Abo Abschließen
Soli

Mit einem Solidaritäts-Abo unterstützen Sie unabhängigen Qualitätsjournalismus!

Jedes Soli-Abo ist automatisch ein Kombi-Abo.

168 /Jahr
Abo Abschließen