Zu Zuständigen erklärt

Von Can Gülcü · · 2020/Mar-Apr

Die Donnerstagsdemo-Bewegung politisierte, vernetzte und ließ Menschen ihre Stimme erheben. Mit der neuen Organisation LINKS soll daran angeschlossen werden.

Es ist Zeit! Das dachte ich mir im Sommer 2019. Die schwarzblaue Regierung war auf spektakuläre Weise in sich zusammengebrochen, und die Übergangs-Regierung bedeutete eine Ruhepause von der aktionistischen Krawallpolitik von Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache.

Ich war Teil der Gruppe gewesen, die ab dem 4. Oktober 2018 die Aktionsform Donnerstagsdemo wiederbelebt hatte. Über neun Monate gingen in Wien Woche für Woche Tausende Menschen auf die Straße. Bald darauf kamen Do-Demos in den anderen Bundesländern dazu. In einem Land, von dem es hieß, es sei „protestfaul“, wurde an manchen Donnerstagen in fast zehn Städten gleichzeitig demonstriert.

Es war viel los, auch abseits der Donnerstagsdemo: Die Umweltbewegung wurde von „Fridays for Future“ wieder zum Leben erweckt, es fanden Aktionen gegen den Rassismus der Regierung statt, ebenso wie solche gegen den Abbau von erkämpften Rechten von ArbeitnehmerInnen. Initiativen, die lange politische Arbeit leisteten, wurden aktiver, kämpferischer und wieder sichtbarer, und es entstanden viele neue.

Can Gülcü ist gemeinsam mit Anna Svec und Mahsa Ghafari Sprecher von LINKS, Kulturschaffender und Aktivist, aktuell im Wien Museum als Kurator für Stadtgesellschaften.

links-wien.at

Passive Opposition. Hinter den Protesten standen keine Parteien, sondern Menschen, die entweder schon AktivistInnen waren oder zu solchen wurden, weil – eben – die Zeit reif war.

Die sogenannte Opposition, die nicht selten mehr mit sich selbst beschäftigt war als damit, was Schwarzblau dem Land antut, war Zaungästin. Etablierte Parteien sind nicht mehr zu Straßenprotest in der Lage – das Höchste der Gefühle ist, dass ihre FunktionärInnen auf Instagram Selfies von den Demos posten.

„Die Schönheit des Auftritts der Vengaboys bestand gerade darin, dass sie als Nichtzuständige die richtigen Worte und Beats und Slogans fanden – und in gewisser Weise auch vorführten, dass nur die Worte von Nichtzuständigen linke Demos auf eine neue Ebene heben.“

Diesen Satz schrieben Verena Dengler und Diedrich Diederichsen in einem Artikel über jene Donnerstagsdemo am Ballhausplatz, bei der fast 20.000 Menschen das Ende der schwarzblauen Regierung gefeiert haben.

Die hunderten Menschen, die auf den Demos ihre Stimmen erhoben haben, all die KünstlerInnen, MusikerInnen und DJs wie die Vengaboys, sie haben sich alle selbst zu Zuständigen erklärt. Zu jenen, die sichtbar machen, dass es in diesem Land sehr viele Menschen gibt, die gute Vorschläge haben, wie das Leben besser werden könnte, und zwar für alle.

Zeit für etwas Neues. Nun also Schwarz-Grün, die neoliberal-autoritäre Krawallpartie von Kurz mit den Grünen, die sich statt für eine kämpferische Opposition für das besonnene Regieren entschieden haben. Das liegt ihnen mehr – bei aller Kritik daran, dass die Grünen die Politik der ÖVP normalisieren und mittragen.

Es ist nicht nichts, dass keine Rechtsextremen mehr in der Regierung sitzen. Aber es ist Zeit dafür, dass die „Nichtzuständigen“ nicht nur auf der Straße, sondern auch für die Wahlkabinen organisieren. Dass eine Organisation entsteht, in der ein Bezirksrat und eine 24-Stunden-Betreuerin, eine prekäre Unilektorin und ein Berufsschüler, eine alleinerziehende Mutter und ein engagierter Pensionist, eine Gewerkschafterin und der undokumentiert Arbeitende, der Bauhackler und die Flüchtlingshelferin gemeinsam auf Augenhöhe Politik machen. Daraus wurde LINKS. Schauen wir, ob wir die richtigen Worte und Beats und Slogans finden.

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