Das Prosi-Imperium

Von Redaktion · · 2016/06

Asien, Lateinamerika und Afrika in einem Supermarkt verpackt gibt es in Wien seit über 15 Jahren. Christina Schröder hat sich zwischen grenzenlosen Regalen auf Erkundungstour begeben.

Prince Pallikunnel – der 51-jährige gebürtige Südinder aus Kerala heißt wirklich so – empfängt BesucherInnen in seinem ruhigen Büro, abseits des regen Supermarkttreibens. Hinter seinem Schreibtisch prangt eine riesige Weltkarte, rundherum zeigen viele Fotos Pallikunnel mit Menschen aus aller Welt. In der Hand hält er das Handy, das ständig summt, denn offenbar ist er ein gefragter Mann.

Vielleicht liegt das an seinen Grundsätzen, aus denen er auch den Namen seines Imperiums zusammensetzt. Prosi steht für „Politness, Respect, Obedience, Service and Intimacy“. Dafür und dahinter stehe er seit der Gründung seines ersten, damals kleinen Lebensmittelgeschäfts mit exotischen Produkten in Wien. Heute besitzt er das größte dieser Art in Österreich.

Und wie hat es den erfolgreichen Geschäftsmann ausgerechnet hierher verschlagen? „Ich war immer schon neugierig auf die Welt, aber Österreich hat sich einfach ergeben“, erzählt er und schmunzelt. In Indien arbeitete er als Lehrer für Wirtschaftskunde. Aber er wollte ins Ausland und kam 1990 nach Österreich zum Studieren. Zwei Jahre später gründete er gemeinsam mit einem indischen Partner ein kleines Geschäft für indische Lebensmittel. Damals lebten noch nicht so viele Menschen aus Afrika, Lateinamerika und Asien in Wien. Doch bald machte sich ein Steigen der Nachfrage bemerkbar und brachte ihn dazu, 1999 den Prosi Supermarkt, den laut Selbstbezeichnung „1. Exotischen Supermarkt in Österreich“, zu gründen.

Erfolgsgeschichte. Heute umfasst Pallikunnels Reich 1.000 Quadratmeter Geschäftsfläche, für einen Supermarkt, ein Schnellrestaurant sowie ein Geschäft für Haarpflege und Kosmetik. Mittlerweile führt er über 8.000 Artikel aus rund 60 Ländern aus aller Welt. Das Sortiment erweitert er auch auf KundInnennachfrage. Immerhin über ein Drittel der Menschen, die im Supermarkt einkaufen, seien ÖsterreicherInnen, bemerkt Pallikunnel. Bei den wöchentlich stattfindenden Kochkursen mit abwechselndem Länderschwerpunkt gar 80 Prozent.

Hauptsächlich wegen der österreichischen Kundschaft habe er auch immer mehr Bio-Produkte im Sortiment. Ob Pallikunell alle Produkte selbst ausprobiert, bzw. kostet? Nein, das tue er nicht, aber etwa ein Drittel kenne er schon genau, betont der Geschäftsmann.

Das beweist er auch gleich. Beim Gang durch die Regalreihen wendet sich eine Kundin an ihn mit der Frage, welcher Reis das sei in dem Päckchen, das sie in der Hand halte. Reis aus Bangladesch, gibt Pallikunnel Auskunft, die Leute dort mögen den Kleinkorn-Reis. „Woher sind Sie, aus China?“, fragt er zurück. Die Frau lächelt und verneint, beim zweiten Anlauf liegt er aber richtig. Ja, aus Vietnam sei sie, sie lebe aber schon lange in Österreich. Und schon entwickelt sich ein Plausch von Reis über Herkunft bis zur persönlichen Geschichte. Ob ihm das Verkaufen selbst abgehe? Ja, denn der Austausch sei schön, aber der Chefsessel im Büro will auch besetzt sein, denn es gäbe viel zu tun.

Buntes Essen

Der Trend zu ethnischen Unternehmen im Lebensmittelhandel ist hauptsächlich in Wien zu verzeichnen. Nach Schätzungen des Wiener Gremiums des Lebensmittelhandels bei der Wirtschaftskammer gibt es ca. 350-400 so genannte ethnische Geschäfte in der Bundeshauptstadt. Aber auch in den Bundesländern sei ein leichter Anstieg zu erkennen. Eine genaue Erfassung gäbe es nicht, weil bei der Anmeldung des Gewerbes die Herkunft der Waren nicht gesondert abgefragt werde.

Am stärksten expandieren in Wien türkische Einzelunternehmen sowie Supermarktketten. Auch die Zahl asiatischer Lebensmittelgeschäfte werde immer größer. In den letzten zehn Jahren haben sich in einigen Bezirken Wien vermehrt Geschäfte mit russischer, polnischer, ungarischer und bulgarischer Ware etabliert.   cs

Geschäft für die Welt. „Jedes Jahr ein Projekt“, ist das Motto des Geschäftsmannes. Wenn man sich die lange Liste seiner Geschäfts- und Charity-Projekte ansieht, scheinen es mindestens drei Projekte zu sein, die er jedes Jahr verwirklicht. Pallikunnel baut sein Imperium laufend aus: Auf den Supermarkt folgte das Straßenfest mit Musik, Kultur und Essen aus aller Welt, das er seit 2000 jedes Jahr ausrichtet; dies sei sein Dank an die KundInnen, so Pallikunnel. Später folgte die internationale Kochschule, der Kosmetikshop mit Haut- und Haarprodukten aus aller Welt, der Prosi-Ball und das Schnellrestaurant: südindisches Essen direkt im Supermarkt. Das Projekt für 2016 ist auch schon fast fertig. Mitte Juni eröffnet Pallikunnel neben seinem Supermarkt ein Restaurant. Bei der Namensgebung folgt er der eigenen Tradition. Es wird Österreichs „1. Exotik-Restaurant“, erklärt er stolz. Das Projekt sei für ihn besonders bedeutsam, weil Essen die Menschen aus aller Welt verbinde. Es sei ein Stück Heimat, das man auch anderswo haben könne. Und überdies baue er das Restaurant auch für seine Kinder auf. Die Nachfolge erscheint also gesichert, sollte sich der umtriebige Geschäftsmann eines Tages in den Ruhestand begeben.

Gutes Handeln. Davon ist jetzt aber noch nicht die Rede. Neben seinen Geschäftstätigkeiten leitet er die Prosi Global Charity Stiftung. Seit 2011 nimmt sich Pallikunnel jeden Jänner eine Auszeit und fährt abwechselnd nach Indien, Ghana, Peru oder Nepal, um dort Häuser für Menschen in Not zu bauen. Mit AnsprechpartnerInnen vor Ort werden je fünf Familien ausgewählt, für die dann ein ca. 70 Quadratmeter großes Haus gebaut wird. Alle Häuser auf der ganzen Welt haben den gleichen, von Pallikunnel entworfenen Grundriss: zwei Zimmer, Küche, Bad und WC auf acht mal acht Metern. Auch den Bau leitet er selbst. Erst nach der Übergabe reist er zurück nach Österreich. „Das gibt mir viel Energie und Motivation für neue Projekte“, erzählt er mit strahlenden Augen. 2013 kam ihm dann auch die Idee, hier zu helfen, nämlich mit einer Weihnachtsfeier für Obdachlose in Wien. 2014 wurde sie unter dem Motto „Schau nicht weg. Hilf auch Du!!!!“ mit einer Kleidersammlung wiederholt. Pallikunnel will dadurch Bewusstsein schaffen und Unterstützung mobilisieren für notleidende, obdachlose Menschen in Österreich. 2015 unterstütze seine Firma Prosi am Westbahnhof Flüchtlinge mit Lebensmitteln.

Südindisch mit Schweinsbraten. Jetzt aber müsse er schnell zu den Bauarbeiten ins Restaurant gegenüber, er sei gleich zurück. Als Pallikunnel zurückkehrt, antwortet er auf die Frage, was und wo Heimat für ihn sei, unverzüglich mit: „Wien“. Am Anfang seien die NachbarInnen noch etwas distanziert gewesen, aber jetzt würden ihn alle kennen, in der U-Bahn würde er ständig gegrüßt. In seiner Geburtsstadt in Indien, wohin er jedes Jahr einmal auf Urlaub fährt, kennen ihn die Leute natürlich auch. Aber hier in Wien sei er zuhause mit seiner Familie und dem Prosi-Imperium. Am liebsten esse er übrigens Südindisch oder Thai, aber alle zwei Woche gehe er österreichisch essen. Schweinsbraten und Semmelknödel müssten es dann sein.

Das 16. PROSI Straßenfest findet am 24. und 25. Juni 2016 von 11-22 Uhr in der Kandlgasse in 1070 Wien statt. Mehr Infos unter: www.prosi.at

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