Die Energiewende und ihr globaler Preis

Von Karin Küblböck · · 2025/Mai-Jun
Zwei Windräder in einer hügeligen Landschaft mit Schneeresten auf den Bergen im Hintergrund.
© Pixabay / Ed White

Europa braucht saubere Energie. Doch ohne faire Lieferketten und weniger Ressourcenverbrauch geht der Umbau auf grüne Versorgung auf Kosten anderer Weltregionen.

Die Energiewende ist seit dem European Green Deal das zentrale Zukunftsprojekt der EU. Die Ambitionen werden jedoch von einer Tatsache gebremst, die lange vernachlässigt wurde: Die Energiewende ist ohne den Zugang zu bestimmten mineralischen Rohstoffen wie Lithium, Kobalt, Nickel oder seltenen Erden nicht umsetzbar. Und gerade hier ist die EU nahezu vollständig auf Importe angewiesen.

Die Ursachen dafür reichen weit zurück. Der Rohstoffzugang zählte bereits im 15. Jahrhundert zu den Hauptmotiven des Kolonialismus. Die Trennung von Rohstoffgewinnung und -verbrauch wurde zum Grundmuster globaler Ungleichheit – und ist es bis heute: Die meisten Länder des Globalen Südens sind weiterhin vom Export unverarbeiteter Rohstoffe abhängig. In vielen Ländern Afrikas machen diese zwischen 80 und 100 Prozent der Gesamtexporte aus.

Rohstoffhunger. Die Kehrseite ist die Importabhängigkeit Europas. In den vergangenen Jahrzehnten verlagerte die Industrie nicht nur den Rohstoffabbau, sondern auch die energieintensive Verarbeitung in Länder mit geringeren Löhnen, Energiekosten und niedrigeren Umweltauflagen. Während sich der globale Abbau mineralischer Rohstoffe seit 2000 fast verdoppelt hat, ging er in der EU um über ein Drittel zurück. Der Materialfußabdruck bleibt jedoch weit über dem globalen Durchschnitt und den planetaren Grenzen. Die ökologischen und sozialen Kosten des europäischen Konsums werden ausgelagert.

Inzwischen ist Rohstoffpolitik zu einem strategischen Feld der EU avanciert. Mit dem „Critical Raw Materials Act“ trat 2024 erstmals ein umfassender Rechtsrahmen für kritische Rohstoffe in Kraft. Heimischer Bergbau soll (re-)aktiviert, Verarbeitung und Recycling ausgebaut und Bezugsquellen diversifiziert werden.

Trotz allem bleibt die EU auf absehbare Zeit stark auf Rohstoffimporte angewiesen. Gerade deshalb führt trotz geopolitischer Spannungen kein Weg daran vorbei, den globalen Wettlauf um Rohstoffe durch Kooperation zu ersetzen. Es braucht Sorgfaltspflichten in Lieferketten, faire Handelsbeziehungen sowie soziale und ökologische Mindeststandards. Nur so kann verhindert werden, dass die grüne Transformation des Globalen Nordens weiterhin auf Kosten anderer Weltregionen voranschreitet.

Grenzen des Wachstums. Was bisher fehlt, sind konkrete Ziele für die Senkung des Rohstoffverbrauchs. Über die Hälfte der prognostizierten Nachfragesteigerung für die Energiewende entfällt etwa auf die Produktion von Elektrofahrzeugen. Statt Klimapolitik als Freifahrtschein für einen ressourcenintensiven Umbau des Bestehenden zu verwenden, braucht es eine bedürfnisorientierte Transformation von Wirtschaft und Infrastruktur. Der Ansatz der „Provisioning Systems“, also Versorgungssysteme, rückt weg von einem technologischen Wachstumsparadigma hin zur Suche nach systemischen Lösungen, um menschliche Bedürfnisse innerhalb planetarer Grenzen zu befriedigen.

Fest steht: Ohne eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den materiellen Voraussetzungen der Energiewende wird diese nicht gelingen. Die Ressourcenfrage ist nicht nur technischer, sondern auch sozialer, ökologischer und politischer Natur – und entscheidend für die Zukunftsfähigkeit Europas.

© Markus Zahradnik

Karin Küblböck ist Ökonomin mit den Forschungsschwerpunkten Rohstoffpolitik und Internationaler Handel. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Österreichischen Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung (ÖFSE).

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