Koloniale Werbung

Von Stefan Brocza und Andreas Brocza · · 2020/Mai-Jun

Den deutschen Kolonialismus propagieren. Das war das Ziel der NS-Reichskolonialausstellung, die vor 80 Jahren in Wien stattfand.

Von Stefan Brocza und Andreas Brocza

Die Werbung der nationalsozialistischen Ausstellungsmacher für die Wiener Kolonialausstellung vor 80 Jahren klang so: „Wer diese Schau verlässt, soll nicht vergessen zu bedenken, was Deutschland durch eigene Kolonien an Devisen sparen würde. Kolonien sind auch heute, oder heute mehr denn je, eine wirtschaftliche Notwendigkeit“, hieß es dazu in einer Broschüre.

Die nationalsozialistische Botschaft in Sachen Kolonien war also eindeutig: Es ging um Rohstoffe und Bereicherung. Im Juni 1940 öffnete die Schau ihre Türen in der Neuen Burg, jenem Teil der Wiener Hofburg, wo sich heute das Haus der Geschichte Österreich befindet.

Sie war eigentlich noch viel größer und bombastischer geplant als sie dann stattfand. Wie so vieles im NS-Staat.

Vorbei an Hakenkreuz und Hitlerbüste gelangte man in einen Raum, der tropische Nutzpflanzen aus den Schönbrunner Gärten und Glashäusern zeigte: Baumwolle, Kaffeesträucher, Tee, Bananen und Zuckerrohr.

Weitere Themen waren die Heilmittelforschung gegen Tropenkrankheiten, koloniales Geld sowie die „Schutztruppe“, die historisch idealisierte Militärtruppe in den ehemaligen deutschen Kolonien. Dazu passend wurden indigene Jagd- und Kriegswaffen präsentiert.

In einem Nebenraum zeigte man in Endlosschleife Schmalfilme aus den Kolonien. Die Betonung der ökonomischen Bedeutung außereuropäischer Gebiete dominierte die Ausstellung und definierte so ihre Rolle als abhängige Peripherien und reine Rohstofflieferanten.

Eroberungspolitik vermarkten. Präsentiert wurde die Schau vom sogenannten neuen Reichskolonialbund (RKB). Der RKB war 1936 in Deutschland durch Gleichschaltung der vorigen kolonialen Gesellschaften und Verbände geschaffen worden. Von Beginn an waren diese durch ihre revisionistischen Ansichten und insbesondere durch die Ablehnung des Friedensvertrags von Versailles inhaltlich auf NS-Linie.

Das von den kolonialen Gruppen geschaffene Bild der „Fahrt über See“ für außereuropäische Kolonien wurde dabei von den NS-Ideologen zu einem „Ritt nach Osten“ umformuliert und die geplante Eroberungspolitik in Mittel- und Osteuropa einfach zu einer Ostkolonisation hin umgedeutet.

Stefan Brocza ist Experte für Europarecht und internationale Beziehungen. Er arbeitete u.a. am Afrika-Desk des EU-Ministerrates.

Andreas Brocza ist Politologe mit Schwerpunkt auf außereuropäische Integrationsprozesse.

Beide publizieren regelmäßig zu Afrika-Themen, zusammen etwa im „Monitoring Regional Integration in Southern Africa Yearbook“ von tralac (Trade Law Centre), Stellenbosch, Südafrika.

Nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 wurden die nunmehrigen Alpen- und Donaugaue zu einem lohnenden Ziel für Werbezwecke des RKB.

Obwohl Österreich geschichtlich selbst vor allem nur am informellen Kolonialismus beteiligt war, fand die koloniale Idee regen Zuspruch. 1942 waren zwischen fünf und neun Prozent der WienerInnen zeitweise Mitglieder im RKB.

Kolonialisten aus Österreich. Schon 1939 wurde geplant, die Reichstagung des RKB zusammen mit einer großen Kolonialausstellung in Wien stattfinden zu lassen. Ein 21-seitiges Konzept wurde ausgearbeitet, zehn Hallen im damaligen Messepalast (dem heutigen Museumsquartier) sollten genutzt werden. Als Schwerpunkte waren die Geschichte des deutschen Kolonialismus, dessen Leistungen und die Widerlegung der sogenannten Kolonialschuldlüge vorgesehen. Einzelaspekte sollten „Kolonialpioniere“ aus Österreich bzw. das italienische Kolonialreich sein.

Doch aus diesem Großevent wurde vorerst nichts. Der mitgliederstärkere RKB-Verband in Dresden setzte sich durch. So fand 1939 in Wien nur die Tagung des RKB statt, die eigentliche Ausstellung ging in Dresden über die Bühne.

Zum 50-Jahre-Jubiläum des Naturhistorischen Museums präsentierte man schon im Dezember 1939 die Sonderschau „Ostmarkdeutsche als Forscher und Sammler in unseren Kolonien“ in immerhin elf Räumen und der Kuppelhalle des Museums.

In einer Broschüre, an der Hugo Bernatzik, österreichischer Ethnologe und Begründer der angewandten Völkerkunde, mitarbeitete, wurden zwanzig Forscher und Sammler vorgestellt, unter anderen der Afrikaforscher Oscar Baumann, der als erster Europäer die Königreiche Ruandas und Burundis erreichte, und der für seine ethnographischen Tonaufnahmen bekannt gewordene Rudolf Pöch.

Der klar anthropologisch-rassenkundliche Schwerpunkt dieser Schau durch die Präsentation von sogenannten „Rassenfiguren“ und zahlreiche ausgestellte Schädelknochen ist aus heutiger Sicht natürlich mehr als bedenklich.

Ein Mal und nie wieder. In der Wiener Ausgabe des „Völkischen Beobachter“ von 26. Mai 1940 wurde dann auf die bevorstehende Kolonialausstellung in der Neuen Hofburg von 11. bis 30. Juni hingewiesen.

Originalaufnahmen aus der Ausstellung sind wenig vorhanden, keine der einschlägigen Fachpublikationen „Kolonie und Heimat“ oder „Deutsche Kolonialzeitung“ hatten eigene Bildberichte. Einen, eher düsteren, Einblick in die Schau liefert jedoch der 12-Minuten-Film „Die aktuelle Kolonialwochenschau“. Obwohl kriegsbedingt weniger Menschen die Wiener Ausstellung besuchten als ursprünglich geplant, galt die Veranstaltung als Erfolg.

Trotzdem sollte sie die letzte große Schau ihrer Art sein, spätere kleinere Ausstellungen in Wiener Neustadt und auch Linz verzeichneten nur noch geringen Zuspruch. Die koloniale Werbung des RKB verlagerte sich zuerst noch in Schaufenster von Kaufhäusern und Geschäfte, wie etwa bei einer Präsentation im Kaufhaus Herzmansky in Wien-Mariahilf, wobei das Naturhistorische Museum Ausstellungsstücke beisteuerte.

Mit dem weiteren Kriegsverlauf verstummte aber auch das Interesse an künftigen Kolonien. Heute sind die Aktivitäten des RKB in Österreich nahezu vergessen. Allenfalls in dem einen oder anderen Briefmarkenalbum finden sich noch Postkarten mit einem Sonderstempel der Wiener Kolonialausstellung.

Basic

Berichte aus aller Welt: Lesen Sie das Südwind-Magazin in Print und Online!

  • 6 Ausgaben pro Jahr als Print-Ausgabe und/oder E-Paper
  • 48 Seiten mit 12-seitigem Themenschwerpunkt pro Ausgabe
  • 12 x "Extrablatt" direkt in Ihr E-Mail-Postfach
  • voller Online-Zugang inkl. Archiv
ab € 25 /Jahr
Abo Abschließen
Förder

Mit einem Förder-Abo finanzieren Sie den ermäßigten Abo-Tarif und ermöglichen so den Zugang zum Südwind-Magazin für mehr Menschen.

Jedes Förder-Abo ist automatisch ein Kombi-Abo.

84 /Jahr
Abo Abschließen
Soli

Mit einem Solidaritäts-Abo unterstützen Sie unabhängigen Qualitätsjournalismus!

Jedes Soli-Abo ist automatisch ein Kombi-Abo.

168 /Jahr
Abo Abschließen