„Meine Realität sieht anders aus“

Von Christine Tragler - Interview · · 2021/Mai-Jun
Cool in Yogyakarta: Die Stadt auf der Insel Java gilt als Kulturhauptstadt Indonesiens – und ist voller Graffiti und Streetart. © Asma Aiad

Asma Aiad nützt die Fotografie als Ausdrucksform – vor allem um auf die unterschiedlichen Lebensrealitäten muslimischer Frauen hinzuweisen, von Wien über Mekka bis nach Kuala Lumpur.

Mit Ihren Bildern machen Sie Musliminnen sichtbar. Was ist Ihnen bei der Darstellung wichtig?

Ich nütze die Fotografie, um die Vielfältigkeit der Musliminnen zu zeigen. Die Bilder von muslimischen Frauen in den Medien kommen gewohnt klischeehaft daher: Traurige Frauen mit Burkas, die Einkaufstaschen schleppen. Meine Realität sieht anders aus. Mir ist es wichtig, ein selbstbestimmtes Bild von mir und meiner Community darzustellen. Durch meine Kunst möchte ich Klischees und Vorurteile brechen und zeigen, dass es viel zu schade ist, in Schubladen zu denken. Denn: Wenn man sich von ihnen befreit, sieht man viel mehr Seiten dieser Welt.

Warum werden immer die ewig gleichen Bilder von „der Muslimin“ benutzt?

Ich glaube, weil es für viele einfacher scheint, Menschen in Stereotypen zu verallgemeinern. So wird dann die muslimische Frau, als fremde Frau, als arm, unterdrückt und ungebildet konstruiert. Sie steht im Gegensatz zur westlichen weißen Frau, die all das eben nicht ist.

Das polarisiert nicht nur, sondern lenkt auch davon ab, dass 2021 Frauen weltweit noch immer sehr für ihre Rechte kämpfen müssen. Aber ich denke, das schaffen wir nur gemeinsam. Und das ist mein Verständnis von einem solidarischen, intersektionalen Feminismus, also einem Feminismus, der die verschiedenen Positionen sozialer Ungleichheit und struktureller Benachteiligung in den Blick nimmt.

Sie sind auch Bloggerin und nennen sich Bint Battutah – was hat es mit dem Namen auf sich?

Ich nenne meinen Reiseblog Bint Battutah, übersetzt: die Tochter Battutahs. Ibn Battuta war ein berühmter muslimischer Reiseforscher des 14. Jahrhunderts. Er soll noch mehr in der Welt herumgekommen sein als Marco Polo. Aber im westlichen Narrativ weiß man wenig über ihn. Ich will auch so viel von der Welt sehen wie er (lacht).

Sie sind eine Reiseliebende. Was passiert bei Ihnen beim Reisen?

Reisen ist für mich genau wie Ibn Battutah sagt: Zuerst macht es mich sprachlos, und dann möchte ich all diese Geschichten erzählen. Sprachlos, weil ich von anderen Kulturen lernen und zuhören möchte. Und dann lernt man soviel, dass man nur mehr davon erzählen möchte. Und meine Ausdrucksform ist meine Fotografie.

ie war es, als Fotografin in Mekka unterwegs zu sein?

Das war eine Zeit, in der ich mich selbst intensiv mit dem Islam, meinem Glauben und meiner Spiritualität beschäftigt habe. Und mit der Frage: Was heißt es für mich, eine sichtbare Muslimin, also mit Kopftuch, zu sein?

Ich war total begeistert, in Mekka zu sein. Ich glaube, das ist der einzige Ort auf dieser Welt, wo man so vielfältige Nationalitäten auf einmal sieht. In den Straßen wird Urdu, Arabisch, Englisch und Französisch gesprochen.

Mir war es auch innerhalb der muslimischen Community wichtig, die Frauen in Mekka sichtbar zu machen.

Sie sind eine Sprecherin des Volksbegehrens Black Voices. Eine Initiative, die sich gegen Rassismus stark macht. Wie breit ist die Bewegung?

Die Bewegung selbst kommt aus der Schwarzen Community Österreichs und ist im Zuge der Black Lives Matter-Demonstrationen entstanden. Das Volksbegehren möchte die unterschiedlichen Formen von Rassismus in Österreich adressieren, deshalb sind neben Schwarzen Menschen auch andere aktiv, die in unterschiedlicher Weise von Rassismus betroffen sind. Gegen Rassismus müssen wir alle etwas tun.

Wir wollen, dass sich die Politikerinnen und Politiker dieses Landes mit dem Thema auseinandersetzen und einen Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus erstellen. Das Black Voices-Volksbegehren kann im Übrigen noch das ganze Jahr mit einer Unterschrift unterstützt werden. (Vgl. auch den Beitrag Black Lives Matter war für mich eine Befreiung in Südwind-Magazin 3-4/2021.)

Interview: Christine Tragler

Asma Aiad ist Künstlerin, Aktivistin und Bloggerin. Sie studierte an der Universität Wien Politikwissenschaft und schrieb ihren Master am Institut für Gender Studies zum Thema Islamischer Feminismus. Zurzeit studiert sie Konzeptuelle Kunst an der Akademie der bildenden Künste.

asmaaiad.com
Instagram: asmaaiad

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